Call the Midwife - Ruf des Lebens: Eine wahre Geschichte aus dem Londoner East End
beantworten. Was sollte ich sagen?
Ich brachte meine Arbeit zu Ende und überprüfte die Plazenta, die intakt war. Dann sagte ich: »Ich würde das Baby gerne baden und wiegen. In Ordnung?«
Sie gab es mir stumm und verfolgte jede meiner Bewegungen, während ich es badete, als fürchtete sie, ich könne es ihr wegnehmen. Ich glaube, dass sie tief im Innern schon wusste, was passieren sollte.
Ich wog den Jungen und maß seine Körpergröße. Er war ein großes Baby: 4700 Gramm schwer, 56 Zentimeter groß und in jeder Hinsicht perfekt. Er war tatsächlich schön: Seine Haut hatte eine dunkelbraune Farbe und auf seinem Kopf sprossen bereits feine dunkle Löckchen. Der leicht abgeflachte Nasenrücken und die breiten Nasenflügel betonten seine hohe, breite Stirn. Seine Haut war zart und ganz glatt.
Ich gab ihn seiner Mutter zurück und sagte: »Er ist das süßeste Baby, das ich in meinem ganzen Leben gesehen habe. Sie können stolz auf ihn sein.«
Sie sah mich voller Verzweiflung an. »Was soll ich nur machen?«
»Ich weiß es nicht. Wirklich nicht. Ihr Mann wird heute Abend von der Arbeit zurückkommen und glauben, dass er gerade Vater geworden ist. Er wird das Baby sehen wollen und Sie können es nicht verstecken. Ich glaube, dass Sie nicht allein sein sollten, wenn er nach Hause kommt. Kann Ihre Mutter vielleicht vorbeikommen und bei Ihnen sein?«
»Nein, das würd alles nur noch schlimmer machen. Er hasst meine Mum. Können Sie bei mir sein, Schwester? Sie ham recht. Ich hab Angst vor dem Moment, wo Cyril ihn sieht.«
Und sie drückte das Baby verzweifelt an sich, als wollte sie es beschützen.
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Richtige bin«, antwortete ich. »Ich bin Hebamme. Vielleicht sollte besser ein Sozialarbeiter hier sein. Ich glaube wirklich, dass jemand zu Ihrem Schutz und dem des Babys hier sein sollte.«
Ich versprach, mich darum zu kümmern, und ging.
Ich stelle mir vor, dass sie einen glücklichen Nachmittag mit ihrem kleinen Jungen verbrachte, mit ihm gemeinsam döste, ihn küsste und das unzertrennbare Band der Mutterliebe knüpfte, auf das jedes Baby von seiner Geburt an ein Recht hat. Vielleicht wusste sie, was kommen musste, und versuchte die Liebe eines ganzen Lebens in einige kurze Stunden zu pressen. Vielleicht sang sie ihm leise die karibischen Spirituals vor, die sie am Lagerfeuer gelernt hatte.
Ich erstattete Schwester Julienne Bericht und erzählte ihr von meinen Befürchtungen. Sie sagte: »Sie haben recht. Jemand muss bei ihr sein, wenn ihr Mann das Baby sieht. Ich glaube jedoch, dass es ein Mann sein sollte. Und in diesem Bezirk gibt es nur Sozialarbeiterinnen. Ich werde mit dem Pfarrer sprechen.«
Der Pfarrer schickte schließlich einen jungen Kaplan, der ab fünf Uhr bei Doris im Haus blieb. Er ging nicht selbst, da er glaubte, dass sein Erscheinen zu bedeutsam gewirkt hätte.
Der Kaplan berichtete später, dass es fast genau so gekommen war, wie ich es erwartet hatte. Cyril warf stumm einen erschreckten Blick auf das Baby, holte weit aus und schlug mit der Faust nach seiner Frau. Der Kaplan konnte den Schlag abfangen. Dann stürzte sich Cyril auf das Baby, um es gegen die Wand zu schleudern, was der Kaplan gerade noch verhindern konnte. Zu seiner Frau sagte er: »Wenn dieser Bastard auch nur eine Nacht in diesem Haus bleibt, dann bring ich ihn um, un dich gleich mit.«
Der wilde Glanz in seinen Augen zeigte, dass es ihm ernst war. »Pass bloß auf, du Hure.«
Eine Stunde später verließ der Kaplan das Haus mit dem Baby in einem Weidenkörbchen und einer Papiertüte mit Babykleidern. Er brachte es zum Nonnatus House und wir versorgten es während der Nacht. Am nächsten Morgen kam der kleine Junge ins Kinderheim. Seine Mutter hat ihn nie wiedergesehen.
Gemischter Abstammung III
Ted war achtundfünfzig, als seine Frau starb. Sie bekam Krebs und achtzehn Monate lang pflegte er sie zärtlich. Dafür kündigte er seine Arbeitsstelle. Sie lebten während der Zeit ihrer Krankheit von seinen Ersparnissen. Sie waren glücklich verheiratet und standen sich sehr nahe. Kinder hatten sie nicht, und da sie beide nicht sonderlich extrovertiert oder auf Bekanntschaften aus waren, hatten sie nur einander zur Gesellschaft. Nach ihrem Tod war Ted sehr einsam. Er hatte nur wenige echte Freunde und seine Kumpel von der Arbeit hatten ihn nach seinem Abschied schon beinahe vergessen. Er hatte sich nie viel aus Vereinen und Kneipen gemacht und mit fast sechzig wollte er auch kein
Weitere Kostenlose Bücher