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Callboys - Die Schönen der Nacht

Callboys - Die Schönen der Nacht

Titel: Callboys - Die Schönen der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Hart
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jedenfalls krochen mir, als ich so alleine im Dunkeln vor dem Fernseher saß, die Schauer, die ich doch eigentlich niemals spürte, den Rücken hinauf und wieder hinunter.
    Ich hätte die Sendung ausschalten sollen. Das war nicht dasselbe, als würde man sich in einem bis auf den letzten Platz besetzten Kino einen billigen Horrorfilm ansehen. Es war gruselig und regelrecht verstörend, und wie ein Kind, das sich fürchtet, mitten in der Nacht ins Bad zu gehen, weil unter seinem Bett Monster hocken und beim Aufstehen nach seinen Knöcheln greifen könnten, zog ich die Knie an die Brust und verbarg mein Gesicht hinter dem gehäkelten Überwurf, der auf der Lehne der Couch lag. Natürlich bot eine Häkeldecke nicht viel Schutz, zumal es sich um zahllose, zu einem Muster zusammengefügte Löcher handelte, durch die ich alles sehen konnte. Und obwohl ich mir sagte, dass ich mich absolut lächerlich aufführte, konnte ich nicht aufhören, auf den Bildschirm zu starren, bis die Sendung vorbei war. Am Ende der Show, bei Tageslicht, präsentierten die Teams ihre Beweise. An diesem Abend endete die Sendung mit dem zweifelsfreien Urteil „übersinnlich“, das nicht einmal die ungläubigsten Teilnehmer widerlegen konnten. Dazu waren zu viele höchst gruselige Dinge geschehen.
    Und diese Bilder waren nun alle in meinem Kopf, allein, in der Dunkelheit. Drei Stockwerke über dem Zimmer voller Leichen.
    Es hatte mir niemals etwas ausgemacht, und ich beschloss, dass sich das auch jetzt nicht ändern sollte. Ich schaltete den Fernseher aus und die Lampen an. Ich nahm das Buch wieder in die Hand und las. Dank meiner schwachen Blase und des Tees, den ich getrunken hatte, gelang es mir allerdings nur, eine oder zwei Seiten zu lesen, bevor ich wieder aufstehen und ins Bad gehen musste.
    Alles, was ich dazu sagen kann, ist, dass das Bad genau der richtige Ort ist, wenn man Wert darauf legt, sich zu Tode zu fürchten.
    Ich war gerade mit dem Händewaschen fertig, als ich es hörte, das leise Geklimper von Musik. Ich erstarrte, während das kochend heiße Wasser meinen Händen die Farbe von rosa Gummihandschuhen verlieh. Leise aufstöhnend drehte ich den Wasserhahn zu.
    Und lauschte.
    Ich hörte so lange nichts, dass es mir gelang, mich selbst davon zu überzeugen, die Töne nur in meiner Fantasie gehört zu haben, doch eine Sekunde später erstarrte ich erneut, als der ferne, doch unüberhörbare Klang von Musik an mein Ohr drang. Mit angehaltenem Atem beugte ich mich zu dem kleinen Fenster vor, das sich nicht öffnen ließ. Vielleicht kam das Geräusch von der Straße her. Doch ich hörte nichts, nicht einmal ein vorbeifahrendes Auto. Schließlich war es nach Mitternacht, in einer Wohnstraße in einer kleinen Stadt, in der die Bürgersteige um 9 oder spätestens um 10 Uhr abends hochgeklappt wurden.
    Mein Fernseher im Wohnzimmer war ausgeschaltet. Der Radiowecker neben meinem Bett war mein nächstes Ziel, doch er lief nicht. Ich kontrollierte meinen Laptop, mein Handy, alle elektronischen Geräte, die beschlossen haben könnten, auf eigene Faust anzugehen und Musik zu spielen. Alles war still.
    Ich lauschte, atemlos, angestrengt. Dabei bemerkte ich nicht, dass ich die Hände krampfhaft zu Fäusten geballt hatte, bis meine Fingernägel sich in meine Handflächen bohrten. Ich zwang mich, locker zu lassen. Die Show hatte mir Angst gemacht, aber ferne Geistermusik war kein Grund, sich zu fürchten. Ich hatte keine Angst vor den Toten. Weder singen die Toten, noch spielen sie Gitarre, und das war es, was ich hörte, als ich mit jedem Muskel und jedem Nerv meines Körpers lauschte.
    Ich hatte zu viele Horrorfilme gesehen, um mich auf die Suche nach der Geräuschquelle zu machen. Es kam überhaupt nicht infrage, dass ich, mit einem als Waffe völlig ungeeigneten Gegenstand in der Hand, im Schlafanzug die Treppe hinunterschlich, um mich dann einem meuchelnden Verrückten gegenüberzusehen, der anstelle einer Hand einen Haken besaß und mit der anderen Hand den Kopf seiner Mutter auf einem Tablett vor sich hertrug. Ein Verrückter, der sich über entweihte Tote beugte – dieser Gedanke war es, der mich dazu brachte, mich, einen alten Golfschläger meines Vaters in der verkrampften Hand, in Bewegung zu setzen.
    Wenn sich dort unten ein Irrer herumtrieb, der Anstalten machte, die Toten zu entehren, war es meine Pflicht, ihm Einhalt zu gebieten. Die Toten konnten sich nicht selbst helfen.
    Die Musik fing an und hörte sofort wieder auf. Als ich im

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