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Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen

Titel: Calpurnias (R)evolutionäre Entdeckungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Kelly
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richtig gut, wir hämmerten in die Tasten und holten doppelt so viel Musik aus dem Instrument heraus, einen wahren Sturzbach von Akkorden »in strengem Tempo«, was ein riesiger Spaß war.
     
    Eines Nachmittags, als ich gerade Lepidoptera beobachtete und notierte, schlenderte mein dreizehnjähriger Bruder Lamar heran.
    »Callie …«
    »Was?«
    »Glaubst du eigentlich, Lula mag mich?«
    »Klar, Lamar.«
    »Nein, ich meine, glaubst du, sie … findet mich nett?«
    Das war jetzt allerdings eine Überraschung. Lamar hatte sich doch noch nie für Mädchen interessiert. »Wieso fragst du mich?«, sagte ich. »Frag sie doch selbst.«
    Er sah mich entsetzt an. »Das könnte ich nie.«
    »Warum nicht?«
    »Weil … ach, ich weiß nicht«, antwortete er lahm.
    »Dann weiß ich auch nicht, was ich dir sagen soll.« Dann kam mir blitzartig ein rettender Einfall. »Wieso redest du nicht mit Harry darüber?«
    Er sah erleichtert aus. »Ja«, antwortete er, »gute Idee. Aber du sagst Lula nichts davon, okay?«
    »Nein.«
    »Und auch keinem von den anderen, ja?«
    »Nein.«
    »Okay. Danke, Callie.«
    Ich hatte nicht groß über die Unterhaltung nachgedacht, als ein paar Tage später mein vierzehnjähriger Bruder, Sam Houston, mir in der Eingangshalle auflauerte und mir unauffällig zuflüsterte: »Pass auf, Callie, ich muss mit dir reden. Glaubst du, Lula Gates mag mich?«
    »Was?«
    Er zuckte zusammen. »Ganz ruhig. Ich hab mich bloß gefragt, ob sie mich wohl mag, mehr nicht.«
    »Puuh, Sam.«
    »Was ist denn?«, fragte er.
    Jetzt geriet ich langsam in Panik. »Ich glaube, du solltest sie das selber fragen.«
    Er sah mich entgeistert an. »Das kann ich nicht.«
    »Dann rede lieber mit Harry, der kennt sich mit so was aus.« Wer sagt denn, dass man nicht zweimal denselben rettenden Einfall haben kann?
    »Du hast recht, Callie. Ich werde mit ihm reden. Aber kein Wort zu Lula, ja?«
    »Nein, das würde ich nie tun.«
    »Versprochen?«
    »Versprochen.«
    »Hoch und heilig?«
    »Hoch und heilig.«
    »Gibst du mir dein großes Indianerehrenwort?«
    »Ganz bestimmt.«
    »Das zählt nicht, wenn man es nicht ganz sagt.«
    »Saaam!«
    »Okay, okay, okay, aber sag’s, ja?«
    »Ich gebe dir mein großes Indianerehrenwort«, sagte ich. »Und jetzt lass mich in Ruhe.«
    »Mann, du bist wirklich grantig in letzter Zeit.« Damit zog er ab, bestimmt suchte er Harry. Ich rieb mir die Schläfen, wo sich gerade Kopfschmerzen einnisteten.
    Ein paar Tage später saß ich in einem ruhigen Winkel und las, als mein zehnjähriger Bruder Travis auf mich zukam, mit einem seltsamen Ausdruck im Gesicht. Ich beäugte ihn misstrauisch und blaffte ihn an: »Was willst du?«
    Er schien gekränkt. »Ich wollte dich was fragen.«
    »Aber nicht zufällig, ob Lula Gates dich mag, oder, Travis?«
    Er schnappte nach Luft. Seine Gesichtszüge schienen vor Schreck auseinanderzufallen. »Was?«, rief er. »Nein, nein, ich wollte bloß fragen, ob sie Katzen mag, das war alles.«
    »Ich habe keine Ahnung, ob sie Katzen mag oder vielleicht dich oder sonst jemanden, und ich hab das alles so satt. Geh und frag Harry um Rat.« Ich schnappte mir meine Bücher und stampfte vor mich hinschimpfend davon. »Was ist eigentlich los mit euch in letzter Zeit?«
    »Was hast du satt? Wovon redest du überhaupt? Und was soll mit uns los sein?«
    Ich beachtete ihn nicht weiter, und ich war mir auch ziemlich sicher, dass es in unserer Stadt bestimmt keine Mädchen gab, die von ihren Brüdern gepestet würden mit der Frage, ob Callie Vee sie wohl mag oder nicht. Und wenn schon, hätte es irgendeine Rolle gespielt? Kümmerte es mich? Nein. Nicht das kleinste bisschen.
    Eine Stunde später kam Harry lachend in mein Zimmer. »Hör auf, alle zu mir zu schicken. Ich hab keinen Moment Ruhe mehr. Lass sie doch deine eigenen guten Ratschläge hören.«
    »Aber ich weiß nicht, was ich ihnen sagen soll. Es geht doch bloß um Lula. Was ist bloß in die gefahren?«
    »Die sind verliebt, das gehört zu dem Alter. Das ist wie eine Epidemie.«
    »Sie sollen bloß wieder aufhören damit.«
    »Das geht nicht«, sagte Harry, »nicht an diesem Punkt. Es wird eher schlimmer. Aber neugierig bin ich jetzt doch – mag sie einen von ihnen?«
    »Ähm – nicht dass ich wüsste, nicht besonders jedenfalls. Soll ich sie fragen?«
    »Wenn du dich unbedingt mitten hinein in die Dritte Schlacht von Manassas begeben möchtest – dann ja. Aber ich an deiner Stelle würde mich da raushalten.«
    Er hatte sicher recht.

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