Cambion Chronicles 1
einer wütenden Explosion.
Als er sich nicht mehr rührte, kletterte ich von ihm herunt er und kr och zu Alicia. Sie hatte sich am Boden zusammengerollt und die Arme um sich geschlungen. Erde und Blätter hingen in ihren Rastazöpfen, aber ich sah keine äußeren Verletzungen.
»Alicia.« Ich kniete mich neben sie, und sie wich zurück. »Hat er dir wehgetan? Alles in Ordnung mit dir?«
»Daddy«, wimmerte sie und kauerte sich instinktiv eng zusammen. Der erstickte Laut weckte Mordlust in mir. Ich streckte die Hand aus, um ihr aufzuhelfen, als mich etwas Großes zu Boden schleuderte.
Ich blickte hoch und sah Garrett über mir aufragen, offensichtlich nicht erfreut über die Umgestaltungen, die ich an seinem Gesicht vorgenommen hatte. Er griff sich an die Brust und zerrte an seinem zerrissenen Unterhemd.
Nachdem er eine Ladung Blut ausgespuckt hatte, keuchte er: »Du hättest dich da raushalten sollen, Schlampe.«
Als er auf mich zukam, wurde er von etwas Dunklem, Schnellem von links aus der Bahn geworfen. Es traf ihn so blitzartig und mit so unnatürlichem Schwung, dass Garrett hinter eine Reihe von Büschen flog.
Ich zwinkerte ein paarmal, weil ich den Anblick nicht so recht verarbeiten konnte. Als ich endlich aufstand, klang ein leises Gurgeln durch die Bäume, gefolgt von einem trockenen Pfeifen. Ich schob mich zentimeterweise auf die Büsche zu und sah, wie Caleb sich über Garrett beugte und ihn von Mund zu Mund beatmete. Caleb war so schnell gewesen, dass ich ihn gar nicht hatte kommen sehen, aber ich war froh, dass er zu Hilfe gekommen war. Durch die Wucht des Aufpralls war Garrett wohl bewusstlos geworden, denn er bewegte sich nicht mehr.
Ich scharrte mit den Füßen, unschlüssig, was ich zuerst tun sollte: Alicia wegbringen, Hilfe holen oder die Polizei rufen.
Wo war überhaupt meine Tasche? Ich hatte sie irgendwo hier fallen lassen. Und was machte Caleb da?
In all den Krankenhausserien und Erste-Hilfe-Kursen in der Schule hatte ich noch nie so eine Wiederbelebung gesehen. Caleb hatte seine Lippen fest auf Garretts gepresst und hörte zwischendurch nicht ein einziges Mal auf, um ihm eine Herzmassage zu geben. Ich hätte erwartet, dass Calebs Wangen sich blähten, während er Luft in Garretts Mund blies, doch das Gegenteil war der Fall.
Ich dachte schon, die beiden hätten so ein Brokeback-Mountain -Ding am Laufen, bis ich sah, dass Garrett sich nicht mehr bewegte. Mit starren, offenen Augen stierte er in den Himmel, ganz versunken, aber ohne etwas wahrzunehmen. Seine Haut, eine hauchdünne, durchscheinende Hülle, sah eher nach Gelatine aus als nach Fleisch.
»Ogottogott!«, japste ich. »Caleb, da stimmt was nicht. Wir müssen die … « Mehr brachte ich nicht heraus, bevor Caleb seinen Kopf hob und mich ansah. Das letzte bisschen Verstand verließ meinen Körper in einem einzigen Schrei.
10
A n diesem Sonntag schwang ich meinen Hintern in die Kirche.
Ich war praktisch eine Fremde dort und echt erleichtert, als ich das Gebäude betrat und nicht sofort in Flammen aufging. Ich setzte mich in die erste Reihe, wahrscheinlich auf den Stammplatz von jemand anderem, und zitterte wie ein Junkie. Aber ich brauchte spirituellen Beistand und gottesfürchtige Menschen um mich. Rhonda hatte gesagt, die würden in diesen schwierigen Zeiten helfen. Tja, noch schwieriger konnten die Zeiten wohl kaum werden.
Die Predigt erreichte mein Hirn nur teilweise, denn seit gestern Abend hatte ich nichts wirklich wahrgenommen.
Ich sah Garretts leblosen Körper und diesen Strang aus weißem Nebel, der aus seinem Mund gezogen wurde; ich sah, wie die Adern in seinem Gesicht und auf seinen Händen immer stärker hervortraten, wie seine Haut einsank, als würde er in der Sonne getrocknet. Sein Körper zuckte in einer letzten Anstrengung, am Leben zu bleiben, sein Gesicht war gefangen in der grotesken Maske des Schreckens, als das Unvermeidliche sich seinen Weg bahnte.
Ich war Zeugin der gierigen Bewegung, mit der Calebs Zunge über seine Lippen fuhr, als er den letzten Rest des seltsamen Nebels aufsog. Fast konnte ich die heftigen Krämpfe spüren, in denen sich sein Körper wand. Ich hörte, wie sein Brüllen die Nacht erfüllte, ein Kampfschrei, der sich aus der Ekstase und der Wut speiste, die aus seinen Augen leuchteten.
Aus diesen glühenden, violetten Augen.
Caleb kroch über das Gras, zitternd und mit Tränenspuren auf den Wangen. »Bring Alicia nach Hause. Sofort!«, befahl er zwischen zwei keuchenden
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