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Cambion Chronicles - Golden wie das Morgenlicht (German Edition)

Cambion Chronicles - Golden wie das Morgenlicht (German Edition)

Titel: Cambion Chronicles - Golden wie das Morgenlicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaime Reed
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spüren müssen. Du könntest nicht einfach so tun, als wäre nichts – ich würde es wissen. Wir könnten Meilen voneinander getrennt in unterschiedlichen Bundesstaaten leben, und ich würde es trotzdem wissen. Das, was wir am dringendsten brauchen, ist das Einzige, was wir nicht haben. Zeit.« Er durchquerte das Zimmer und setzte sich auf meine Bettkante. »Es ist schon lange Zeit für Sie, zu Bett zu gehen, Miss Marshall. Wir hatten genug Aufregung für eine Nacht.«
    Schickte er mich weg? Seine Stimmungsschwankungen gingen mir gehörig auf die Nerven, und die ganze Wut des Abends wallte frisch angefacht wieder in mir auf. »Hör mal, wenn du jedes Mal die Schotten dicht machst, wenn wir rumknutschen, dann sollten wir das wohl lieber jetzt beenden. Ich kenne die Risiken, und wirklich Angst habe ich nur davor, zu früh Mutter zu werden, und das kann man verhindern. Für immer an dich gebunden zu sein, wird meine Welt nicht zusammenbrechen lassen, aber deine vielleicht, wenn du weiter den ach so vernünftigen Erwachsenen raushängen lässt, also hör endlich auf damit!« Ich sah mich im verwüsteten Zimmer um. »Wenn du hier schlafen möchtest, bitte sehr. Ich bin in Moms Zimmer.«
    Als ich hinausging, rief er mir hinterher: »Solange ich hier bin, tust du mir einen Gefallen, bevor du ins Bett gehst? Nicht nur für mich, sondern auch zu deinem eigenen Schutz.«
    Ich blieb stehen, ohne mich umzudrehen. Ich musste den verletzten Ausdruck auf seinem Gesicht nicht sehen, ich hörte ihn in seiner angespannten Stimme, und ich spürte sein Herz in meiner eigenen Brust brechen. »Was?«, fragte ich.
    »Schließ deine Tür ab.«
    Das waren die kältesten vier Worte, die ich je gehört hatte, und er sagte sie mit der verzweifelten Stimme eines verurteilten Gefangenen. Die letzte Bitte des Todeskandidaten. Ich nickte und zog die Tür hinter mir zu. Ich sehnte mich nach Ruhe, die ich heute Nacht mit Sicherheit nicht bekommen würde. Genauso wenig wie er.

7
    Niemand weiß wirklich, wie alles begann, aber das bisschen, was die Zeiten überdauert hatte, war so absurd und verstörend wie eine Geistergeschichte am Lagerfeuer.
    In Angies Familienmemoiren waren drei verschiedene Versionen der sogenannten »Ursprungsgeschichte« verzeichnet, die alle zum selben schrecklichen Ergebnis führten: Todesfälle, und zwar jede Menge. Ich konnte nach der Lektüre der Tagebucheinträge kaum schlafen, aber ich hätte echt gern mal eine Disney-Version dieses gruseligen Märchens gesehen, unzensiert und in 3-D.
    Ich hatte den ersten Band der epischen Familiensaga schon zu drei Vierteln durch und konnte ihn gar nicht mehr aus der Hand legen – nicht so sehr aus historischem Interesse, sondern weil es die beste Seifenoper war, die je zu Papier gebracht wurde. Besessenheit, Eifersucht und Gewalt tränkten die Seiten mit Blut. Jede Frau in Angies Stammbaum offenbarte dort künftigen Generationen ihre Seele.
    Auch wenn diese Einträge der Familiendokumentation dienten, wollten die Cambion-Heldinnen meiner Meinung nach außerdem erreichen, dass solche wie ich aus ihren Fehlern lernten. Sie flüsterten mir Warnungen aus dem Jenseits zu und flehten mich an, mir meine Menschlichkeit zu erhalten, damit ich nicht auf ewig meine Seele verlieren möge. Um ihretwillen, um ihrer Opfer willen, schuldete ich ihnen ein offenes Ohr.
    Viel wichtiger noch: Angies Flugzeug würde in wenigen Stunden landen, und sie erwartete eine umfassende Rezension von mir. Sie hatte mir beide Bände zu lesen gegeben, und ich hatte diese Pflicht vor mir hergeschoben bis zur letzten Minute. Wer hätte es mir verdenken wollen – jedes Buch hatte fast zweitausend Seiten, in einzeiligem Abstand und Schriftgröße 10. Aber jetzt, mit der tickenden Uhr neben mir und zwei Bechern Kaffee in der Blutbahn, ging es ans Eingemachte.
    Schule, Arbeit und Calebs ausgedehnter Ausflug nach Idiotistan waren in der letzten Woche in den Hintergrund gerückt, damit ich die Deadline schaffte. Wo ich auch ging und stand, stets klemmte Band eins unter meinem Arm, und alles andere verblasste daneben. Die ledergebundenen Schinken machten mich nicht gerade beliebter an der Schule, und es wurde wild spekuliert, ob ich unter die Hexen gegangen war. Jeder in meiner Umgebung kannte mich gut genug, um mich nicht anzusprechen, und so hatte es das ganze Wochenende nicht an meiner Zimmertür geklopft.
    Mom war unten damit beschäftigt, letzte Verschönerungen vorzunehmen und die Nachbarn anzubrüllen. Ich nahm an,

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