Cambion Chronicles - Golden wie das Morgenlicht (German Edition)
verbittert, und wenn ich jetzt mit ihm redete, würde ich nur noch mehr sagen, was ich später bereuen würde.
In dem Bemühen, mir nicht die Laune verderben zu lassen, hielt ich ihr mein Geschenk hin. »Hier, Mom hat dir ein paar Kek…« Ich hielt inne, als ich die drei einsamen Kekse und die Krümel auf dem Teller bemerkte. »Michael!« Mein Kopf flog herum, und ich sah gerade noch, wie der Dieb vom Tatort flüchtete. Nicht zu fassen. Ich hatte den Teller die ganze Zeit festgehalten und es nicht mal gemerkt. Oh, er war gut. Mit vollen Backen kauend, verschwand Michael hinter den zugleitenden Aufzugtüren.
Angie nahm einen Keks vom Teller und winkte mich zur Sitzecke. »Wie ich schon sagte, Liebes: Wilde.«
»Und, was machst du so?«, fragte ich.
»Na ja, ich habe vier Bilder verkauft und zwei in Kommission gegeben. Meine nächste Ausstellung ist erst im Februar, also habe ich Zeit, mich hier um alles zu kümmern.«
Da ich wusste, was sie mit »alles« meinte, verkrampften sich meine Muskeln. Hatte sie Neuigkeiten von den Cambion-Oberbossen? Waren sie immer noch hinter Caleb her?
Sie spürte mein Unbehagen und sagte: »Keine Politik vor dem Essen, Samara. Das gehört sich nicht. Lass uns einfach einen schönen Abend miteinander verbringen. Komm, die anderen warten schon.«
Ich hatte weder den roten Teppich noch die Fanfaren erwartet, nur etwas nicht ganz so Peinliches. Eins hatten die Petrovsky-Sprösslinge gemeinsam, oder die Cambion-Kinder im Allgemeinen: Man brauchte keinen Bluttest, um zu sehen, wer dazugehörte. Sie standen in vollem Sonntagsstaat wie die Orgelpfeifen im Wohnzimmer und sahen aus wie die von Trapps in dem Film Meine Lieder – meine Träume . Hände hinter dem Rücken, die Haltung würdevoll und jahrelange Internatsdisziplin verströmend. »Bunter Hund« beschrieb meine Anwesenheit nicht annähernd. Ich kniff die Augen zu, ganz geblendet von dem vielen Blond.
»Und das sind meine Lieblinge. Ich habe dir doch von ihnen erzählt, nicht?« Mit einer anmutigen Handbewegung deutete Angie nacheinander auf ihre Miniaturausgaben, angefangen bei der Sechzehnjährigen. Von allen drei Geschwistern ähnelte sie Nadine am meisten, nicht nur vom Aussehen her, sondern auch von ihrer Ausstrahlung. Sie verströmte Apathie und einen entrückten Weltschmerz, hinter dem jahrelange Übung steckte.
Ich streckte dem hochgewachsenen Mädchen meine Hand entgegen. »Du musst Olivia sein, stimmt’s?«
Ein Nicken war ihre einzige Antwort. Mit erhobenem Kinn musterte sie jeden Quadratzentimeter an mir. Ihren scharfen Blick verbarg sie hinter schweren Lidern, als würde sie jeden Augenblick eindösen. In diesem Augenblick wusste ich, dass es hier ein paar harte Nüsse zu knacken geben würde, also ging ich zum Dreizehnjährigen über.
»Das sind mein Sohn Szymon und meine kleine Maus Mishka«, sagte Angie.
Ich senkte den Kopf. »Sehr erfreut.«
Szymon verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen und wusste nicht, wohin er schauen sollte. Obwohl er Angie ähnlich sah, unterschieden ihn seine hellgrauen Augen vom Rest der Gruppe.
Mishka dagegen schien neugieriger zu sein als die anderen und außerdem darauf bedacht, das Eis zu brechen. Die Zehnjährige mit den Locken und den rosigen Wangen trat vor und knickste. Ihre smaragdgrünen Augen weiteten sich, als sähe sie etwas Glänzendes. »Bist du jetzt unsere neue Schwester?«
»Äh … « Ich sah hilfesuchend zu Angie hinüber, aber sie wusste darauf auch keine Antwort.
»Sei nicht so blöd, Mishka. Natürlich ist sie das nicht. Sie ist nur eine Trägerin, das ist alles«, sagte Olivia schmallippig.
Autsch . »Ich bin ein bisschen mehr als das«, erwiderte ich. »Aber ich will hier nicht den Platz eurer Schwester einnehmen. Nadine war eine gute Freundin von mir, und es ist mir eine Ehre, einen Teil von ihr in mir zu tragen.«
Sie zuckte mit den Achseln. »Wenn du meinst.«
»Olivia, das reicht jetzt. Du bist unhöflich«, tadelte Angie sie.
»Nein, ist schon okay. Das ist für uns alle nicht leicht. Das Letzte, was wir hier brauchen, ist aufgesetzte Freundlichkeit.« Ich stellte mich direkt vor Olivia und sagte: »Ich bin kein schlechter Mensch, und ich hoffe, du siehst das noch ein während eures Aufenthalts hier. Ich erwarte nicht, dass wir beste Freundinnen werden, aber deine Mutter möchte, dass ich hier bin, also respektiere das bitte und respektiere mich. Sonst wird das ein sehr ungemütliches Weihnachten für uns beide.«
Olivia
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