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Cambion Chronicles - Smaragdgrün wie die Dämmerung (German Edition)

Cambion Chronicles - Smaragdgrün wie die Dämmerung (German Edition)

Titel: Cambion Chronicles - Smaragdgrün wie die Dämmerung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaime Reed
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Tribüne hervor und trabte zu seinen Mannschaftskollegen hinüber. Als er die Gruppe erreichte, sagte er: »Tut mir leid, dass ich so spät dran bin. Mir ist was dazwischengekommen.«
    »Das sehe ich«, grunzte Trainer Reynolds und beäugte Maliks zerknitterte Sportkleidung. »Zwanzig Runden um die Turnhalle. Sofort. Der Rest bildet Paare und nimmt sich je einen Ball.« Das Schrillen der Trillerpfeife versetzte alle in Bewegung, auch mich.
    Malik joggte am äußeren Rand der Turnhalle entlang. Sein großer, durchtrainierter Körper bewegte sich in gleichmäßigem Tempo, geschmeidig und sehr agil für jemanden, der eigentlich gar nicht am Leben sein sollte.
    Er sah zu mir herüber, und ein kleines Lächeln spielte um seine Mundwinkel, als er mir kurz zuzwinkerte.
    Was hinter der Tribüne passiert war, war echt gewesen. Malik war tot, er war Geschichte. Ich hatte mir das nicht eingebildet, aber das Dutzend Zeugen in der Turnhalle konnte nun das Gegenteil beschwören. Ich spürte Maliks Energie in mir. Sein Leben und alles, was dazugehörte, wirbelte in meinem Inneren herum, und Lilith hatte nach diesem Festmahl quasi gerülpst, so satt war sie geworden.
    Angesichts meiner Lage hätte ich mich wohl glücklich schätzen sollen. Ohne Leiche gab es auch kein Verbrechen. Ich war aus dem Schneider. Das unerwartete Gefühl von Freiheit erstarb allerdings schnell, als eine Frage an die Oberfläche stieg.
    Wenn ich Maliks Leben nicht genommen hatte, was zum Teufel hatte ich dann gerade verschlungen?
    Ich fuhr hoch. Der Traum löste sich in Nebel auf, und ich nahm mein dunkles Zimmer wahr. Meine Haut juckte dort, wo das Laken trotz meines T-Shirts an meinem verschwitzten Rücken geklebt hatte. Ich schaukelte auf dem Bett hin und her. Mein Puls raste, als versuchte er, mit meinen Gedanken Schritt zu halten. Es war nur ein Traum gewesen, andererseits aber auch nicht – eher eine Zusammenfassung dieses seltsamen Tages. Das Gehirn machte Kassensturz, wenn die Öffnungszeiten vorbei waren.
    Was ich an Albträumen am meisten hasste, war die Tatsache, dass ich nach dem Aufwachen allein war. Niemand versteckte sich unter dem Bett oder lauerte im Schrank, aber die Fantasie schlug Purzelbäume und sah in jedem Schatten eine Bedrohung. Alles war still und friedlich, außer mir.
    Ich brauchte etwas zu trinken und schlich auf Zehenspitzen in die Küche hinunter, wobei ich es erfolgreich vermied, einen Blick ins Wohnzimmer zu werfen. Doch der Aufruhr legte sich nicht, er sickerte durch das Gebälk und lud die Luft elektrisch auf.
    Ich schaltete das Licht an und ging zum Kühlschrank, wo ich den Inhalt eines Zwei-Liter-Kartons Orangensaft direkt aus der Packung in mich hineinschüttete. Ich dachte an Moms Olivenöl und die Fragen, die es aufgeworfen hatte. Ich hatte schon häufiger darüber nachgedacht, aber inzwischen ging mein Interesse eher in Richtung wissenschaftliche Forschung. Maßeinheiten, Qualität, Mengen und religiöse Dogmen schwappten dick und zäh wie Öl durch meinen Kopf.
    Ich durchsuchte die Hänge- und die Bodenschränke, sogar die Speisekammer hinter der Küche, fand aber kein Öl. Als ich erneut den Kühlschrank öffnete, bemerkte ich, dass das Glas mit den grünen Oliven, die Mom so gern mochte, nicht mehr in der Tür stand. Sie hatte es wahrscheinlich weggeworfen und das Haus damit wieder kindersicher gemacht. Offenbar hatte sie sogar meine Handtasche entrümpelt, als ich im Krankenhaus gelegen hatte. Das erklärte auch das Verschwinden des alten Fläschchens mit dem eingetrockneten Salböl. Ich warf den leeren Orangensaftkarton in den Müll und nahm mir vor, morgen einen Abstecher zum Supermarkt zu machen.
    Kaum hatte ich diesen Beschluss gefasst, ließ mich ein unheimliches Gefühl erstarren. Ich spürte eine Anwesenheit. Etwas Lebendiges bewegte sich ganz in der Nähe; seine Energie umflatterte mich, und ich bekam eine Gänsehaut. Dieses vertraute Signal verriet mir sonst immer Calebs Nähe, und ich schwelgte in den willkommenen Schwingungen. Ich verzehrte mich nach meinem Kuchenmonster und flehte es stumm an, meinen Hunger zu stillen, mich wieder im Arm zu halten. Fast konnte ich seinen Atem auf meiner Haut spüren und den warmen Kuss in meinem Nacken.
    Vor lauter Gefühlsduselei fielen mir die Logikfehler dieses Gedankengangs überhaupt nicht auf, etwa die Tatsache, dass unmöglich jemand das Haus betreten konnte, ohne die Alarmanlage auszulösen, oder dass Mom selbst im Tiefschlaf auf jedes Geräusch reagierte,

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