Camel Club 01 - Die Wächter
Schraubenzieher den Teppichboden an und legte Dämmschicht und Unterboden frei. An dieser Stelle war der Unterboden entfernt und gegen Sperrholz ausgetauscht worden. Unter dem Sperrholz wiederum, so bekam Captain Jack zu sehen, hatte man an den Zwischenbalken in Abständen von jeweils fünfzehn Zentimetern kurze Längen Seil befestigt. Auf dieser Aufhängung lagen zwei Scharfschützengewehre mit Hochleistungssichtgeräten.
»Ich habe von den M-50 gehört«, sagte Captain Jack, »aber nie so ein Ding benutzt.«
»Es hat digitale Optik ohne sichtbare Zielsignatur und verschießt Einundzwanzig-Millimeter-Projektile mit integrierten Umfeldsensoren und integrierter multithermaler Detektorfunktion.« Der Afghane kniete sich hin und zeigte auf ein bestimmtes Teil der Waffe. »Außerdem ist ein neurales Feedbacksystem vorhanden, das Muskelzuckungen ausgleicht.«
»So was hab ich nie gebraucht, um meine Arbeit zu erledigen«, meinte Captain Jack unbeeindruckt.
»Und die Waffe ist mit hochmodernem Camoflex beschichtet, das sich nach Betätigung dieser Taste der jeweiligen Umgebung anpasst. Der Lauf ist nanotechnisch perfektioniert, sodass die Waffe eine sagenhafte Treffgenauigkeit hat – weniger als eine zehntausendstel Bogenminute auf tausend Meter. Reiner Overkill für diese Aufgabe, aber egal. Außerdem haben wir zwei MP-5 mit rund zweitausend Schuss Munition.«
Ganz zu Beginn seiner Laufbahn hatte Captain Jack sich den unverzeihlichen Fehler erlaubt, erst die Höheneinstellung zu justieren und dann erst den Luftdruck einzustellen – auf den Wert, den er von der üblichen Wettervorhersage kannte. Scharfschützen mussten jedoch den aktuellen Luftdruck ohne Beachtung der Höheneinstellung berücksichtigen. Damit hatte Jack einen großen Fehler begangen, denn kühle Luft war dichter als warme Luft, und dies in Rechnung zu stellen hatte bei der Verwendung überschallschneller Munition maßgebliche Bedeutung. Dieser schwerwiegende Fehler hatte zur Folge gehabt, dass Captain Jack die Zielperson nur verwundete, nicht aber tötete – bei einem Anschlag auf ein Staatsoberhaupt ein gänzlich inakzeptables Ergebnis.
»Wo habt ihr die Munition versteckt?«, fragte Captain Jack.
Der Afghane stellte sich hinter den Fernseher und schraubte die Rückwand ab. Das Innere enthielt Dutzende geladener MP-5-Magazine, ordentlich aufgestapelt, sowie mehrere Schachteln mit M-50-Munition. »Wie Sie sich denken können«, sagte der Afghane, »gucken wir wenig Fernsehen.«
»Und die beiden anderen Gewehre und die Munition? Sie sind am allerwichtigsten.«
»Auch unter dem Fußboden. Sie sind einsatzfertig. Wir haben über fünfzig Stunden damit geübt. Keine Sorge, wir schießen nicht daneben.«
»Das Wetter sieht für Schützen günstig aus, kann in dieser Gegend allerdings schnell umschlagen.«
Der Afghane zuckte mit den Schultern. »Auf die Entfernung ist es nicht schwierig, etwas zu treffen. Aus diesem Abstand habe ich mein Ziel schon dreimal hintereinander getroffen – bei Nacht und unter Gegenfeuer.«
Captain Jack wusste, dass der Mann kein Aufschneider war; andernfalls hätte er auch gar keinen Zugang in diese Gruppe erhalten.
»Aber auf diese Weise habt ihr es noch nicht gemacht«, wandte er ein. »Schussweite und Flugbahn sind etwas anders.«
»Glauben Sie mir, ich kenne mich aus.«
Captain Jack ging ins Bad und besah sich im Spiegel seine Verkleidung. Er nahm den Hut ab und betrachtete das dichte ergrauende Haar und den Schnauz- und Kinnbart. Als er die Sonnenbrille absetzte, schaute er in blaue Augen. Er hatte eine kleine Narbe seitlich an der langen, dicken Nase. Das Kopfhaar und die Bärte waren falsch. In Wirklichkeit hatte er eine Glatze und trug keinen Bart; seine Augen waren braun, nicht blau, und seine Nase zwar lang, aber schmal. Und eine Narbe gab es nicht.
Er zog Hut und Sonnenbrille wieder an. In seinem Leben war er schon viele Male untergetaucht und in andere Identitäten geschlüpft, manchmal in fremdem Auftrag, auch im Auftrag der Regierung der Vereinigten Staaten. Andere Male hatte er eigenständig seine Schießkünste und seine stählernen Nerven an den Meistbietenden verkauft. Doch nun sollte sein nächstes Abtauchen, so wie er zu Hemingway gesagt hatte, sein letztes Verschwinden sein.
Er fuhr aus dem Ort zum Festplatz, der kaum zehn Minuten Fahrt vom Zentrum entfernt lag. Doch in zehn Minuten konnte viel geschehen.
Captain Jack hielt nicht am Festplatz, sondern lenkte den Wagen langsam an dem Gelände
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