Camel Club 03 - Die Spieler
sie sah, lächelte er, ging ihr entgegen und umarmte sie flüchtig. Sie quittierte die Aufmerksamkeit mit einem Bussi auf die Wange, das nach Finns Empfinden völlig sinnentleert und reine Show war. Die Frau war Mrs. Simpson, eine ehemalige Miss Alabama, die immerhin einen Master of Business Administration von einer Elitehochschule hatte – eine ungewöhnliche Voraussetzung für eine potenzielle First Lady.
Finn beobachtete die zwei Männer, die sich dicht bei Simpson hielten. Sie trugen Ohrhörer und waren bewaffnet; vielleicht waren sie Secret-Service-Leute. Seit dem Tod der drei ehemaligen Agenten der Abteilung 666 – oder »Drei-Sechser« – und Carter Grays hatte Simpson ohne Zweifel verstärkte Personenschutzvorkehrungen veranlasst. Doch Finns Plan sah keine direkte Attacke auf Simpson vor. Das einzige problematische Detail konnte das Foto Rayfield Solomons sein. Auch Simpson sollte wissen, weshalb sein Leben endete. Doch Finn würde sich etwas einfallen lassen. Ihm fiel immer etwas ein.
In aller Ruhe verließ er das Gebäude.
KAPITEL 35
Stone stieg früh aus den Federn, doch Annabelle saß bereits unten am Kamin und trank heißen Tee. Er nickte ihr zu, als er die Gästestube betrat, und schaute sich nach anderen Anwesenden um.
»Wir sind die Einzigen«, sagte Annabelle unumwunden. »Möchten Sie Frühstück?«
Sie aßen in einem kühlen Zimmer neben der kleinen Küche. Annabelle beachtete ihr Essen kaum. Stone musterte sie wiederholt, während er Eier und Toast verputzte.
»Haben Sie nach dem Anruf gestern Abend noch mal was von Milton und Reuben gehört?«, fragte Annabelle. »Eventuell haben sie ja noch mehr rausgefunden.«
»Bis jetzt nicht. Aber ich gehe davon aus, dass sie uns gegebenenfalls informieren.«
Als Stone seinen Becher Kaffee geleert hatte, erhob sich Annabelle. »Sind Sie so weit?«
»Fahren wir zum Tathaus?«
»Das geht leider nicht. Es wurde abgerissen. An der Stelle steht jetzt irgendeine architektonische Scheußlichkeit. Aber wir können uns in der Umgebung umschauen.« Annabelle hatte gerötete Wangen und einen fahrigen Blick. Stone fragte sich, ob sie krank wurde. »Es geht mir gut«, erklärte sie, als hätte sie seine Gedanken gelesen. »Ich habe nur zu wenig geschlafen.«
Eine halbe Stunde später standen sie vor dem Grundstück, auf dem Annabelles Mutter ermordet worden war. »Da ist es«, sagte Annabelle. »Oder war es. Meine Mutter hatte eigentlich nur eine bescheidene Hütte.«
Das neue Haus war beileibe keine bescheidene Hütte, sondern eine Neunhundert-Quadratmeter-Villa mit Schindeldächern und Türmchen gleich am Meer, die sich hervorragend als Titelbild des Architectural Digest geeignet hätte.
»Wie lange ist es her, seit man die Hütte abgerissen hat?«, fragte Stone.
»Sechs Jahre. Nicht allzu lange nach dem Tod meiner Mutter. Meerblick sticht einen brutalen Mord allemal aus.«
»Also, wie wollen wir vorgehen?«, lautete Stones nächste Frage.
»Ich schlage vor, wir geben uns als Vater und Tochter aus. Ist nicht bös gemeint. Wir tun so, als suchten wir einen Alterssitz für Sie. Wir ziehen einen örtlichen Makler zu Rate und stellen Fragen.«
Am Nachmittag folgten Annabelle und Stone einer kleinen, schwarzhaarigen Frau, die einen Körper wie ein Fass hatte, um ein großes Wohnhaus herum, das zum Kauf angeboten wurde. Es lag vier Grundstücke neben der Örtlichkeit, wo Jerry Bagger Annabelles Mutter als letzten Gruß eine Kugel in den Kopf gejagt hatte.
»Ich finde es wunderhübsch, Dad«, säuselte Annabelle, als sie das stark renovierungsbedürftige Haus in Augenschein nahmen. »Ich begreife nicht, warum es sich noch niemand unter den Nagel gerissen hat.«
»Erstens ist es nicht gerade klein«, antwortete Stone mit Nachdruck. »Zweitens muss offensichtlich einiges getan werden.«
»Ach, komm, Dad«, sagte Annabelle. »Es hat Meerblick. Du suchst jetzt schon ziemlich lange und hast nichts gefunden, was ein würdiges neues Zuhause für dich wäre. Kannst du dir nicht vorstellen, dich hier zur Ruhe zu setzen? Sieh doch nur, die Aussicht!«
Stone wandte sich an die Maklerin. »Das Haus am Ende der Straße ist ein richtiges Prunkstück und in gutem Zustand. Wissen Sie, ob die Eigentümer an einem Verkauf Interesse hätten?«
»Die MacIntoshs? Nein, ich glaube nicht, dass sie verkaufen möchten.«
»MacIntosh?«, wiederholte Annabelle. »Hört sich nicht so an, als würde ich sie kennen. Aber ich habe mal Leute gekannt, die dort gewohnt haben … na
Weitere Kostenlose Bücher