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Camorrista

Titel: Camorrista Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giampaolo Simi
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schätzen, wie er mitmacht.
    Ich flüchte mich in mein Schlafzimmer. Mit dem Geld, der Pistole und dem Koks. Schließe alles in den Safe ein, in die Schachtel mit den blauen Kornblumen, in der sechs Jahre lang meine Arbeit über den heiligen Augustinus gelegen hat.
    Dann gehe ich wieder zu ihm hinaus und schlage vor, dass er mich um drei Uhr weckt, danach kann er bis sieben schlafen.
    Er antwortet nur mit einem leichten Kopfnicken und starrt unverwandt zur Tür.
    »Ich habe vergessen zu erzählen … dass ich ihn aber nicht denen mit dem Lastwagen gegeben habe.«
    »Wen?«
    »Cocíss, meinen Champion.«
    Ich brauche ein paar Sekunden, bis ich wieder in der Geschichte bin.
    »Wie all die anderen Hunde, die streunenden Hunde, die wir auf der Straße getötet haben, verstehst du? Weißt du, was die mit denen gemacht haben? Die haben sie zu Pulver zermahlen, und das verfüttern sie an die Kühe.«
    »Die toten Hunde?«
    »Ja, und auch Schafe, tote Kühe, alles. Aber Cocíss war ein Champion. Ein Champion darf nicht zum Schluss von Kühen gefressen werden.«
    Ich gehe runter auf die Knie, stütze einen Ellbogen auf den Sessel. Er redet, behält dabei die Tür im Blick und erzählt mir, dass er Cocíss vom Lastwagen mit den Kadavern runtergezogen hat. Er hat ihn selbst begraben, an einem Ort, den
nur er kennt. Ab und zu ist er dahin zurückgegangen. Auf sein Halsband hat er Steine im Kreis gelegt.
    »Und dann habe ich noch etwas gemacht, das glaubst du nicht, wenn ich es dir sage.«
    Er wirft mir einen flüchtigen Blick zu, die erloschene Zigarette im Mund. Jetzt hat er etwas Herausforderndes in den Augen.
    »Dann lass mal hören.«
    »Nein, ich kann es dir nicht sagen.«
    Er macht es spannend. Doch ich lasse nicht locker.
    »Ich habe ein Stück Fleisch von ihm abgeschnitten und mit nach Hause genommen. Und dann habe ich es gegessen.«
    Ich scheine ihm wohl nicht erstaunt genug. Ich bin es tatsächlich nicht. Er nimmt es mir ein bisschen übel und setzt noch eins drauf.
    »Da habe ich gedacht, aus Respekt sollten mich alle Cocíss nennen.«
    Jetzt setze ich mich schließlich auch auf den Boden.
    »Die Sache, die habe ich nie einem erzählt. Kannst du dir die Doktoren vorstellen, da im Jugendgefängnis? Die hätten geschrieben, dass ich voll verrückt bin, und mich zu den kriminellen Irren gesteckt.«
    Er richtet den Blick wieder fest auf die Tür.
    »Vielleicht bin ich ein bisschen verrückt, hä?«
    Ich sage ihm gute Nacht, gehe in mein Schlafzimmer und schließe die Tür ab. Doch ich mache es leise, damit er nicht das Klicken im Schloss hört.
     
    Er klopft, als wollte er die Tür einschlagen.
    »Rosa!«
    (Es ist das erste Mal, dass er mich bei meinem Namen nennt.)
    Ich habe das Gefühl, erst vor Kurzem eingeschlafen zu sein, und vielleicht stimmt das auch. Ich muss mich wer weiß wie lang auf dem Bett herumgewälzt haben. Nicht einmal das Nachttischlämpchen habe ich ausgemacht.

    Ich gehe zur Tür, dann ins Bad und dann noch auf die Suche nach irgendwas, das mein Kopfweh lindert. Ich sehe, dass Cocíss eine Packung Toast mit Butter und Honig aufgegessen hat, und höre ihn grummeln, dass er nicht müde ist. Ich gebe ihm mit einem Zeichen zu verstehen, er soll den Sessel nicht über den Fußboden ziehen, und binde meine Haare hinten zusammen.
    Bevor er sich auf die Couch fallen lässt, zieht er sich die Schuhe aus. Ich nehme es als eine Geste guten Willens.
    »Du hast nicht zufällig was, um schnell einzuschlafen?« Ich gehe noch mal ins Schlafzimmer, hole eine Schmerztablette für mich und ein Beruhigungsmittel für ihn, noch immer aus der Packung meines Vaters. Die Vitamine gebe ich ihm nicht, doch ich überrede ihn, sich die Zähne mit der medizinischen Zahncreme zu putzen, weil er immer noch Blut spuckt.
    Während er im Bad ist, setze ich Kaffee auf. Als er herauskommt, barfuß und ohne T-Shirt, habe ich es mir schon wieder anders überlegt. Ich stelle die Espressokanne ins Waschbecken und richte mich im Sessel vor der Tür ein.
    Er zieht sich ein sauberes T-Shirt über, schluckt die Pille, stürzt ein ganzes Glas Wasser runter und wirft sich auf die Couch, dass der Fußboden quietscht.
    »Würdest du bitte leise sein?«, flüstere ich stinksauer. »Hier schlafen alle.«
    (Alle außer uns.) Ich setze mich hin und sehe zur Tür, wie er es getan hat.
     
    Als ich schon denke, dass er eingeschlafen ist, höre ich ihn murmeln, dass ich eine Menge Sachen aus Plastik in meiner Wohnung habe, und da hat er tatsächlich

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