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Camus, Albert

Camus, Albert

Titel: Camus, Albert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Mensch in der Revolte
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für Nietzsche das, dem man gehorcht, um die Geschichte zu unterwerfen. Es ist der Unterschied zwischen Christ und Grieche. Nietzsche wenigstens hat vorausgesehen, was kommen wird: «Der moderne Sozialismus sucht eine Form weltlichen Jesuitismus zu erschaffen, aus jedem Menschen ein absolutes Werkzeug zu machen», und weiter: «der Wohlstand wird jetzt begehrt … Folglich wird man einer geistigen Sklaverei entgegengehen, wie man sie noch nie gesehen hat. Der geistige Cäsarismus schwebt über jeder Tätigkeit der Kaufleute und Philosophen.» In der Feuerprobe von Nietzsches Philosophie endet die Revolte mit ihrem Freiheitsrausch im biologischen oder historischen Cäsarismus. Das absolute Nein hatte Stirner zur gleichzeitigen Verherrlichung des Verbrechens und des Menschen getrieben. Doch das absolute Ja führt am Schluss zur Verallgemeinerung des Mordes und zugleich des Menschen. Der Marxismus-Leninismus hat sich tatsächlich Nietzsches Willen zu eigen gemacht mittels der Ignorierung einiger Tugenden Nietzsches. Der große Rebell schafft nun mit eigenen Händen und um sich darin einzuschließen die unerbittlicheHerrschaft der Notwendigkeit. Dem Gefängnis Gottes entronnen, ist seine erste Sorge, das Gefängnis der Geschichte und der Vernunft zu erbauen und damit diesen Nihilismus, den Nietzsche zu besiegen trachtete, am Schluss zu tarnen und zu befestigen.

Die Dichtung in der Revolte
    Wenn die metaphysische Revolte das Ja abweist und sich darauf beschränkt, völlig zu leugnen, so weiht sie sich dem bloßen Schein. Stürzt sie zur Anbetung dessen, was ist, und verzichtet darauf, einen Teil der Wirklichkeit zu bestreiten, so zwingt sie sich früher oder später zum Handeln. Dazwischen verkörpert Iwan Karamasow in einem schmerzvollen Sinn das Geschehenlassen. Die revoltierende Dichtung am Ende des 19. und am Anfang des 20. Jahrhunderts schwankte unablässig zwischen diesen beiden Polen: der Literatur und dem Willen zur Macht, dem Irrationalen und dem Rationalen, dem verzweifelten Traum und der unerbittlichen Handlung. Ein letztes Mal erhellen diese Dichter, vorab die Surrealisten, den Weg, der in spektakulärer Verkürzung vom Scheinen zum Handeln führt.
    Hawthorne konnte von Melville sagen, er konnte, obwohl ungläubig, im Unglauben keine Ruhe finden. Gleicherweise kann man von diesen Dichtern im Ansturm des Himmels sagen, dass sie, trotz ihres Willens, alles umzustürzen, gleichzeitig ihre verzweifelte Sehnsucht nach einer Ordnung bekundeten. Mit einem allerletzten Widerspruch wollten sie aus der Widervernunft Vernunft gewinnen und aus dem Irrationalen eine Methode machen. Diese großen Erben der Romantikbeabsichtigten, die Dichtung beispielhaft zu machen und im Aufwühlendsten in ihr das wahre Leben zu finden. Sie vergöttlichten die Blasphemie und wandelten die Dichtung in Erfahrung und Mittel der Tat um. Vor ihnen hatten in der Tat die, welche auf die Ereignisse und den Menschen wirken wollten, zum mindesten im Abendland, es im Namen rationaler Regeln getan. Der Surrealismus dagegen wollte nach Rimbaud im Wahnsinn und der Zerrüttung ein Gesetz des Aufbaus finden. Rimbaud hatte in seinem Werk und nur darin die Bahn gewiesen, doch in der Art des Blitzes, der im Sturm eine Wegspur beleuchtet. Der Surrealismus hat diesen Weg gebahnt und seinen Verlauf festgelegt. Durch seine Übertreibungen wie durch seine Rückzüge hat er einer praktischen Theorie der irrationalen Revolte die letzte und prunkvolle Fassung gegeben, zur selben Zeit, als auf einem anderen Feld das revoltierende Denken die Kultur der absoluten Vernunft begründete. Seine Anreger, Rimbaud und Lautréamont, lehren uns jedenfalls, auf welchen Wegen der irrationale Wunsch, zu scheinen, den Rebellen zu den freiheitsmörderischsten Formen der Tat führen kann.

    Lautréamont und die Banalität

    Lautréamont zeigt, dass der Wunsch, zu scheinen, sich beim Rebellen auch hinter dem Willen zur Banalität verbirgt. In beiden Fällen, ob er sich erhöht oder erniedrigt, will der Rebell anders sein, als er ist, während er sich doch erhebt, um in seinem wahren Sein erkannt zu werden. Die Lästerungen und der Konformismus Lautréamonts beleuchten gleicherweise diesen unseligen Widerspruch, der bei ihm seine Lösung findet im Willen, nichts zu sein. Keineswegs liegt hier ein Widerruf vor, wie man es gemeinhin annimmt; die gleicheVernichtungswut erklärt Maldorors Ruf nach der großen Ur-Nacht wie die mühevollen Banalitäten der ‹Poésies›.
    Man versteht bei

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