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Camus, Albert

Camus, Albert

Titel: Camus, Albert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Mensch in der Revolte
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Matinaux›) René Chars, des Dichters unserer Wiedergeburt.

Nihilismus und Geschichte
    Hundertfünfzig Jahre metaphysischer Revolte und des Nihilismus sahen beharrlich das gleiche verwüstete Gesicht unter den verschiedensten Masken wiederkehren, dasjenige des menschlichen Protests. Aufgelehnt gegen ihr Geschick und dessen Schöpfer, haben alle die Einsamkeit des Geschöpfes versichert und die Nichtigkeit jeder Moral. Aber alle suchten zu gleicher Zeit ein rein irdisches Königreich zu errichten, wo das Gesetz ihrer eigenen Wahl herrschen würde. Als Rivalen des Schöpfers wurden sie folgerichtig dazu geführt, die Schöpfung auf eigene Rechnung neu zu machen. Die für die Welt, die sie erschaffen hatten, jedes andere Gesetz als das der Begierde und der Macht abwiesen, stürzten sich in Selbstmord oder Wahnsinn und besangen die Apokalypse. Die andern, die ihr Gesetz mit eigener Kraft aufstellen wollten, erwählten das leere Gepränge, den äußern Schein oder die Banalität, oder dann den Mord und die Zerstörung. Doch Sade und Karamasow, die Romantiker und Nietzsche traten nur in die Welt des Todes, weil sie das wahre Leben wollten. So sehr, dass durch Umkehrwirkung der durchdringende Ruf nach dem Gesetz, der Ordnung und Moral aus dieser Welt des Wahnsinns erschallt. Ihre Folgerungen waren erst dann verhängnisvoll oder freiheitsmörderisch, als sie die Bürde der Revolte abwarfen, der Spannung entflohen, die sie voraussetzt, und sich für die Annehmlichkeit der Tyrannei oder der Knechtschaft entschieden.
    Der Aufstand des Menschen in seinen gehobenen und tragischen Formen ist und kann nichts anderes sein als ein langer Protest gegen den Tod, eine wütende Anklage gegen das Geschick, das von einer allgemeinen Todesstrafe beherrscht wird. In allen Fällen, denen wir begegnet sind, richtete sichder Protest jedes Mal gegen das, was in der Schöpfung Dissonanz, Trübheit oder Unterbrechung ist. Es handelt sich also zur Hauptsache um eine unaufhörliche Forderung nach Einheit. Die Weigerung vor dem Tod, der Wunsch nach Dauer und Durchsichtigkeit sind die Triebfedern aller dieser erhabenen oder kindischen Verrücktheiten. Ist es allein die feige und persönliche Weigerung zu sterben? Nein, haben doch viele dieser Rebellen bezahlt, was sie mussten, um auf der Höhe ihrer Forderung zu bleiben. Der Rebell verlangt nicht das Leben, sondern die Gründe des Lebens. Er stößt die Folgen zurück, die der Tod mit sich bringt. Wenn nichts dauert, ist nichts gerechtfertigt; was stirbt, ist bar jedes Sinns. Gegen den Tod kämpfen heißt den Sinn des Lebens fordern, heißt kämpfen für das Gesetz und die Einheit.
    Der Protest gegen das Böse, der im Zentrum der metaphysischen Revolte liegt, ist in dieser Hinsicht bezeichnend. Nicht das Leiden des Kindes ist an sich revoltierend, sondern die Tatsache, dass dies Leiden ungerechtfertigt ist. Schließlich wird der Schmerz, die Verbannung oder die Klausur manchmal hingenommen, wenn die Medizin oder der gesunde Menschenverstand uns davon überzeugen. Was in den Augen des Rebellen dem Schmerz wie auch den Momenten des Glücks in der Welt fehlt, ist ein Erklärungsprinzip. Der Aufstand gegen das Böse bleibt vor allem eine Forderung nach Einheit. Der Welt der zum Tod Verurteilten, der tödlichen Undurchsichtigkeit des Geschicks hält der Rebell unablässig seine Forderung nach endgültigem Leben und endgültiger Durchsichtigkeit entgegen. Ohne es zu wissen, ist er auf der Suche nach einer Moral oder etwas Heiligem. Die Revolte ist eine Askese, wenn auch eine blinde. Wenn der Rebell nun lästert, so in der Hoffnung eines neuen Gottes. Er erzittert unter dem Stoß der ersten und tiefsten religiösen Regung, allein es handelt sich um eine enttäuschte religiöse Regung.Nicht die Revolte an sich ist edel, sondern das, was sie fordert, selbst wenn, was sie erreicht, noch gemein ist.
    Wenigstens muss man aber erkennen, was sie Gemeines erreicht. Jedes Mal, wenn sie die Abweisung alles Bestehenden, das absolute Nein vergöttlicht, tötet sie. Jedes Mal, wenn sie blind das Bestehende gutheißt und das absolute Ja ausruft, tötet sie. Der Hass gegen den Schöpfer kann in den Hass gegen die Schöpfung umschlagen oder in die ausschließliche und aufreizende Liebe zum Bestehenden. In beiden Fällen jedoch mündet sie in den Mord ein und verliert das Recht, sich Revolte zu nennen. Man kann auf zwei Arten Nihilist sein, beide Male durch eine Unmäßigkeit nach dem Absoluten. Es gibt scheinbar die

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