Cantucci-Herzen brechen nicht: Roman (German Edition)
Ich.
Er stieß langsam den Rauch aus und beobachtete dahinter eine große blonde Frau, die sich zwischen zwei Tischen in der Nähe durchzwängte. Sie nahm Platz, schob ihre Sonnenbrille auf den Kopf und schenkte ihm ein kurzes Lächeln, als ihre Blicke sich kreuzten.
Sie sah aus wie Lily. Nicht so schlank und so schön, aber sie hatte den gleichen lässigen Schick wie sie. Das war eins der ersten Dinge, die ihm an Lily aufgefallen waren, der Frau, die seine Frau werden würde: die Art, wie sie sich bewegte, mit einer beinahe zufälligen Anmut, ähnlich Satin, der von einem Marmortisch glitt.
Er hatte auf den ersten Blick gewusst, dass er sie heiraten wollte, obwohl er bis dahin nicht an solche Dinge geglaubt hatte. Für ihn waren das Spinnereien von liebestollen Paaren, um sich gegenseitig zu versichern, dass sie füreinander bestimmt waren.
Aber die Wahrheit lautete: In dem Augenblick, in dem er Lily wahrgenommen hatte in dem Restaurant, in das Jordie ihn vor all den Jahren schleifte nach einer schweißtreibenden Partie Squash, wusste er es. Er wusste es einfach. Nun, er wusste nicht, ob sie ihn heiraten würde. Aber er wusste, dass er sie heiraten wollte. Einfach so. Ka-bumm.
Es stellte sich heraus, dass Lily eine Freundin von Jordies Verabredung war – sie kamen nie dahinter, ob es sich um ein abgekartetes Spiel handelte, aber falls sie das damals vermuteten, ließen sie sich nichts anmerken. Danach kümmerte es sie nicht, wie sie sich kennengelernt hatten, nur dass sie sich kennengelernt hatten.
Daniel hatte Lily am ersten Abend hauptsächlich beobachtet, ihre Art, sehr grazil zu essen, frei zu reden, oft zu lachen und sich nicht bewusst zu sein, wie viele Augen im Raum auf ihrem reizenden Hals verweilten, ihren winzigen Ohrläppchen, ihrem perfekten Mund.
Es hatte ihn voll erwischt. Tatsächlich sogar dermaßen, dass ihm klar wurde, dass alle seine früheren Liebesbeziehungen und Sexaffären albern waren, nichts weiter als Schuljungenflirts verglichen damit.
Lily zu lieben war von Anfang an ein Schmerz gewesen, ein derart tiefer Schmerz, dass er nicht sagen konnte, wo er anfing und wo er aufhörte oder welche Form er hatte, ein Schmerz, der ihn auffraß, bis er ihr Herz eroberte, und der ihn immer noch auffraß.
Er würde nie so stark für jemand anderen empfinden, niemals, selbst dann nicht, wenn er hundert Jahre alt wurde, was er nicht hoffte. Denn in seinen fünfundvierzig Lebensjahren hatte er so viele Fehler gemacht, dass er nicht wusste, wo er überhaupt anfangen sollte, um sie wiedergutzumachen.
Manchmal, wenn Daniel sich rasierte, sah er seinem Spiegelbild in die Augen und staunte darüber, dieselbe Person zu sehen, die früher zu ihm zurückblickte. Wie konnte das sein? Er wirkte immer noch so glatt nach außen hin. So verlässlich, so normal, so derselbe wie gewohnt. Aber die gepflegte Erscheinung, die gelassene Außenhülle täuschten über die Geheimnisse und persönliche Scham hinweg, die in ihm herumwuselten, auf der Suche nach Orten, wo sie sich verstecken konnten.
Es wurde so schlimm, dass er anfing, sich unter der Dusche zu rasieren, ohne Spiegel, trotz des einen oder anderen Schnitts.
Die blonde Frau, die alleine am Tisch saß, plauderte jetzt in ihr Handy. Tatsächlich hatte sie große Ohrläppchen und einen kürzeren Hals. Sie war Lily doch nicht so ähnlich, dachte Daniel, und zündete sich die nächste Zigarette an. Sie hatte ihren eigenen Stil, und sie machte einen glücklichen Eindruck, diese blonde Frau. Unkompliziert. Und glücklich.
Würde Lily an dem Tisch sitzen und der Mann einer anderen Frau sie rauchend beobachten, würde ihm sicher nicht die Bezeichnung »glücklich« in den Sinn kommen, dachte Daniel. Er würde ihre Schönheit bewundern, dieser andere Mann, vielleicht wäre er auf den ersten Blick in sie verliebt. Aber er würde rasch die Düsterkeit spüren, die hinter diesem bezaubernden Gesicht lauerte, und würde feststellen, dass sein Blick weiterwanderte zu einer weniger dornigen Rose, einer, die vielleicht nicht so schön anzusehen war, aber die ein Funkeln in den Augen hatte.
Die Traurigkeit hatte Lilys Funkeln gestohlen. Die Blondine, die zwei Tische von ihm entfernt saß, hatte es noch.
Daniel goss sich ein weiteres Glas Wein ein. Der Gedanke an Lilys Traurigkeit war keiner, den er weiter verfolgen wollte. Er hatte sich bereits genug Gedanken darüber gemacht und wusste, dass es wenig gab, wenn nicht sogar nichts, um sie zu lindern. In New York war er
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