Cantucci-Herzen brechen nicht: Roman (German Edition)
wischte sich den Schweiß von der Stirn mit einem getupften Taschentuch. »Sie wissen nicht zufällig, wie wir zum Hotel Adesso kommen?«
»Doch, weiß ich«, antwortete Lily, überrascht, dass ihre Stimme normal klang. »Leider müssen Sie noch ein gutes Stück bergauf gehen, aber es wird schattiger, sobald Sie sich am Hügel oben links wenden. Von dort aus sind es noch ungefähr zehn Minuten. Das Hotel liegt auf der rechten Seite.«
»Na, bitte sehr, Schatz«, sagte die Frau strahlend. »Ich habe dir doch gesagt, dass jemand stehen bleibt und uns hilft.«
»Danke«, sagte der Mann. »Wir haben einen ziemlich langen Tag hinter uns.«
»Aber es ist wunderschön hier, nicht wahr?«, sagte die Frau, die das perfekte Bild einer glücklichen Urlauberin abgab. »Wir fanden Florenz schon zum Sterben schön, aber dieser Ort hier schießt den Vogel ab. Das ist ein Juwel! Ein Juwel!«
Der Mann lächelte sie an, dann streckte er die Hand aus und berührte ihre Schulter, als wollte er sich bei ihr bedanken, dass sie so begeistert war. Sie erwiderte sein Lächeln, und es war ein so zärtlicher Moment, dass Lily die Augen abwandte und einen Kloß in der Kehle spürte.
Sie bedankten sich bei ihr und kämpften sich weiter den Hügel hoch, während Lily zurückblieb und ihnen nachsah. Die Sonne schien und knallte auf die ausgeblichenen Fensterläden und die Fensterscheiben auf der einen Straßenseite, während die toskanischen Steinfassaden auf der anderen Seite in Schatten getaucht waren.
Alle um Lily herum schienen bester Laune zu sein, selbst die Topfgeranien auf dem Fenstersims vor ihr machten plötzlich einen unglaublich munteren Eindruck. Eine rauchige Jazzmelodie wehte durch die Luft aus einem Fenster im dritten Stock. Durch einen Spalt zwischen den Häusern konnte Lily in der Ferne Bäume sehen, die von der sanften Brise gekitzelt wurden, die durch das Tal tänzelte. Irgendwo in der Nähe wurde Kaffee geröstet, und ein verliebtes Teenager-Pärchen flüsterte sich auf der Treppe vor der Kirche süße Worte ins Ohr, die Arme und Beine ineinander verschlungen wie Baumwurzeln.
Wie konnte die Sonne scheinen und die Blumen zum Blühen bringen, wenn der verliebte Mann, um den früher Lilys Arme und Beine geschlungen waren, sich als nicht viel mehr als eine Illusion entpuppt hatte – nichts als Schall und Rauch?
Es sollte regnen.
Nun war Lily diejenige, die von einem eiligen Passanten umgerannt wurde, der sie unbeabsichtigt dermaßen heftig anrempelte, dass sie fast eine ganze Drehung um die eigene Achse machte, bevor sie sich beinahe in den Armen des Schubsers wiederfand.
Es war Alessandro. Trotz gegenteiliger Behauptungen war Montevedova tatsächlich eine Stadt, in der man jedem über den Weg lief, den man kannte.
»Es tut mir leid, dass wir uns auf diese Art wiederbegegnen«, sagte Alessandro, und ein breites Grinsen erschien in seinem schönen Gesicht. »Andererseits freue ich mich auch sehr, dass wir uns auf diese Art wiederbegegnen.« Er machte eine Pause, und sein Lächeln verblasste. »Alles in Ordnung, Lily? Sie machen so einen verlorenen Eindruck.«
»Ich schätze, man könnte sagen, dass heute nicht gerade mein bester Tag ist«, erwiderte sie.
»Das gilt auch für mich«, sagte Alessandro. »Meine Haushälterin hat mich schon wieder auf eine seltsame Gänsejagd geschickt. Ich habe gerade fast zwei Stunden im Weinladen auf eine bestimmte Schnapslieferung gewartet, aber ich gebe auf. Es ist so ein herrlicher Tag – zu schön, um ihn zu vergeuden.«
Tatsächlich war Lily auch froh, ihn wiederzusehen. Er war ein Hauch frischer Luft, den sie gerade nötig hatte.
»Haben Sie schon zu Mittag gegessen?«, fragte Alessandro, woraufhin Lily den Kopf schüttelte.
»Hätten Sie Lust, mir Gesellschaft zu leisten?«
»In Montevedova?«
»Wo Sie wollen.« Alessandro lächelte.
»Überall, bloß nicht in Montevedova«, antwortete Lily.
»Dann kenne ich genau den richtigen Ort. Es ist ein bisschen anders als hier, und ich glaube, es wird Ihnen gefallen.«
»Fragole?«, rief die Frau im Eingang des Alimentare ihnen hinterher, während sie durch das alte Stadttor gingen in Richtung Parkplatz. »Fragole?«
Der »ein bisschen andere« Ort erwies sich als ziemlich atemberaubend: eine Stadt in der Nähe, die Bagno Vignoni hieß und in der die Piazza grande kein Kopfsteinpflasterplatz war, sondern ein altes Thermalbecken, eingefasst in Steinmauern, um das sich das restliche Dorf schmiegte.
Alessandro wählte vor dem
Weitere Kostenlose Bücher