Cappuccino fatale
auf. »Das wäre ja so, als müsste man einen Paradiesbewohner noch
darum bitten, den Mund aufzumachen, wenn die gebratenen Tauben durch die Luft
fliegen«, beendet er in triumphierendem Ton seinen Vortrag und fügt mit
erhobenem Zeigefinger hinzu: »Also, ich traue dem Kerl nicht!«
»Also, ich bin total verknallt in ihn«, nuschele ich
niedergeschlagen und krümele mit hängenden Schultern ein paar Frühstückskekse
auf die Plastikdecke unseres Küchentischs. »Du hast ja leider recht«, füge ich
achselzuckend hinzu. »Ich verstehe langsam auch nicht mehr, warum er seit Rom
nichts von sich hat hören lassen …«
» Bella «, Giorgio legt mir eine Hand auf
den Arm, »das würde ich an deiner Stelle auch nicht verstehen. Aber was mich
betrifft, möchte ich dich fröhlich sehen. Wir Italiener haben mehr zu bieten
als Sägespänefresser und Kerle, die nicht wissen, was gut ist.« Er senkt den
Kopf und fügt mit eindringlicher Stimme hinzu: »Wir Italiener sind nämlich
leidenschaftliche Genießer. Du musst dir nur einen von den Richtigen
aussuchen.«
Ich dachte bisher, das hätte ich.
21.
Renatos Feier findet in einer Wohnung in dem piekfeinen
Viertel Brera statt, wo ich immer schon mal hinwollte. Abgesehen davon ist das
die erste echte Party, zu der ich in Mailand eingeladen bin. Da sehe ich doch
großzügig darüber hinweg, Renato als »nicht mein Typ« eingestuft und ihm einen
Korb gegeben zu haben, und freue mich, dass er mich trotzdem eingeladen hat.
Zur Feier des Tages habe ich mir sogar ein Taxi gegönnt und beobachte auf der
Fahrt zur Party den Regen, der an die Autoscheibe trommelt.
Paolo hat mich inzwischen angerufen. Vorgestern oder am Tag davor,
ich weiß es nicht mehr. Er war freundlich-liebevoll wie immer, aber irgendwie
verhalten und behauptete, besonders viel im Job zu tun zu haben. Auch ein
Treffen für das kommende Wochenende konnte oder wollte er mit mir nicht
ausmachen.
»Familienfeiern«, informierte er mich knapp. »Aber wir sehen uns ja
spätestens nächste Woche in Mailand. Danach können wir doch etwas zusammen
unternehmen.«
Wir haben ein paar E-Mails hin- und hergeschickt, doch stehen Paolos
kurze Einzeiler in keinem Verhältnis zu seiner sonst so fröhlichen, redseligen
Art, die ich so an ihm mag. Daher klammere ich mich an die wenigen
Lebenszeichen, die ich von ihm erhalte, und bin auf der anderen Seite irgendwie
verunsichert über ihn. Und über uns.
Es gießt immer noch in Strömen, als ich am Ort des
Geschehens ankomme. Beim Aussteigen aus dem Taxi muss ich höllisch aufpassen,
nicht innerhalb von Sekunden meine sündhaft teuren Pumps zu ruinieren, die ich
extra für diesen Abend hervorgekramt habe.
Ich stöckele über die Straße und hopse über den kleinen Bach, der
sich am Bordstein gebildet hat, auf den rettenden Bürgersteig. Halb unter
meinem Schirm hervor schaue ich an dem prunkvollen Gebäude hoch. Hier müsste
Renatos Beschreibung nach die Geburtstagsparty steigen, die er zusammen mit
einer Freundin in ihrer Wohnung gibt. Im zweiten Stock sind mehrere Räume hell
erleuchtet. Die großen Fenster geben den Blick auf hohe Stuckdecken mit einem
mächtigen Kronleuchter frei. Vereinzelt erhasche ich einen Blick auf elegante
Personengrüppchen, die an den Fenstern vorbeiwandeln. Kurz: ohne Zweifel eine
dieser Partys, von denen man sich als Zaungast immer wünscht, dabei zu sein.
Und ich bin dabei, stelle ich
selbstzufrieden fest. Prima.
Nach mehrmaligem Klingeln ertönt endlich der Türsummer. Ich steige
die geschwungene Treppe aus Marmor empor, drücke oben angekommen die nur
angelehnte Tür auf, aus der Musik erklingt, und luge ins Wohnungsinnere. Lachen
und Gläserklirren tönen mir entgegen. Niemand nimmt Notiz von mir, von Renato
weit und breit keine Spur.
Ich betrete eine elegante quadratische Lobby mit tausend kleinen, in
die Decke eingelassenen Lichtern und einem kleinen weißlackierten
Jugendstilsofa auf der linken Seite der Halle. Ein philippinisches Hausmädchen
in grauer Kutte mit weißer Schürze kommt wild gestikulierend herbeigeeilt und
nimmt mir meinen Mantel ab, um ihn just an dem Haken aufzuhängen, neben dem ich
sowieso gerade stand. Dabei redet sie ohne Unterlass auf mich ein. Ich stehe an
der Wand an meinen nassen Mantel gedrückt und schaue ratlos zu der asiatischen
Schönheit herunter, die mir in ihren Puschen ungefähr bis an die Brustwarzen
reicht.
»Schusofplies«, gestikuliert sie weiter und lächelt mich scheu an.
» Come? Wie?« Was will
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