Cappuccino fatale
für Bildbearbeitung Napolone von
der Agentur ›Der krähende Hahn‹ aus Parma. Aber nun halte dich fest …« Sie
senkt die Stimme.
Meine Nerven sind zum Zerreißen gespannt und das Herz klopft mir bis
zum Hals.
»Inhaber der Agentur ist ein Luciano Galli !
Marias Nachname. Ob das ihr Bruder ist, oder so?«
»Oder nur Zufall?«, frage ich. »Ganz schön viele Zufälle um Maria
herum …«
Galli bedeutet auf Deutsch »Hähne«. Beschränkt lustiges Wortspiel,
seine Agentur Il gallo che canta – Der krähende Hahn
zu nennen, denke ich.
»Vor allem«, pflichtet Lidia mir unterdessen bei, »eine solch hohe
Summe für die paar Bilder, die der geliefert hat?«
»Vielleicht gibt dieser Luciano der schönen Maria zu Hause am
Küchentisch ein paar Scheinchen davon zurück, sollten sich die beiden
tatsächlich kennen«, überlege ich weiter.
»Nina, ich zittere vor Aufregung«, wispert Lidia.
»Und ich erst«, gebe ich zurück. »Sag mal, solche hohen Summen muss
Luigi doch freigeben. Ist seine Unterschrift auf der Rechnung?«
Ich höre Lidia scrollen und tippen.
»Ja, hier unten ist was hingekritzelt. Ob das seine Handschrift ist …«
»Lidia, darf ich dich um einen letzten Gefallen bitten?« Ich habe da
eine Idee. »Bitte druck die Rechnung aus, markiere das Unterschriftengekritzel
schön leuchtend gelb und lege es Luigi einfach anonym in den Posteingangskorb«,
bitte ich meine Freundin. »Falls wir beide uns hier irgendeinen falschen Alarm
ausgedacht haben sollten, wird das Ding einfach in den Müll fliegen, falls
nicht – wird es seinen Weg nehmen.«
»Das mache ich«, flüstert Lidia ängstlich, »du kannst dich auf mich
verlassen.«
»Das hab ich immer getan, Lidia. Vielen Dank für alles.«
Ich lege auf und atme bebend ein und aus. War es das? Hat mich Maria
womöglich wegen dieser Sache beruflich aus dem Weg räumen wollen? Haben Lidia
und ich da vielleicht etwas richtig Großes aufgedeckt? Schon möglich, bloß:
Selbst wenn – Paolo habe ich trotzdem verloren.
34.
Normalerweise ist es bei Liebeskummer und sonstigen
Enttäuschungen so, dass einen jede Straßenecke, jeder Supermarkt und vor allem
das eigene Zuhause an das erinnert, was passiert ist. Mir ergeht es nicht so.
Bei mir gleicht das vielmehr einer bösen Urlaubserinnerung, einem dumpfen
Gefühl im Magen, weil da etwas verdammt schiefgegangen ist.
Dabei ist das alles jetzt schon fast einen Monat her.
Mailand.
Es kommt mir vor, als hätte mein Aufenthalt in Italien in einem
anderen Leben stattgefunden. Ich habe mich einfach von dort weggebeamt und
nichts in Hamburg erinnert mich mehr an Giorgio, Lidia, Renato oder … an Paolo.
»Ich gehe zum Bäcker, soll ich jemandem was mitbringen?«,
fragt meine Kollegin am Schreitisch gegenüber und reißt mich aus meinen
düsteren Überlegungen.
Mittagszeit in Hamburg.
Hier gehen wir mittags nicht essen, geschweige denn hinterher noch
einen Espresso trinken. Hier verschlingen wir, wenn überhaupt, ein Brötchen am
Schreibtisch, ohne auch nur die Augen vom übervollen Posteingangsfach
abzuwenden.
»Ja, mir bitte«, melde ich mich zu Wort, krame nach meinem
Portemonnaie und gebe meiner Kollegin ein paar Münzen. »Ein Brötchen mit Käse
und eins mit Schinken, bitte. Vielen Dank.«
Während sich meine Kollegin ihre Jacke überstreift und nach ihrem
Schirm sucht (auch dieses Jahr sind wir mit dem Hamburger Sommer wieder
benachteiligt), lese ich ein paar Unterlagen für CremeZart Korrektur, die mir
jemand auf den Tisch gelegt hat.
Derzeit arbeite ich nämlich an einer Kampagne für einen Streichkäse.
Eine Zwischenlösung, bis die Napolone-Kampagne in Deutschland umgesetzt werden
soll. Mir graut jetzt schon davor.
Mit gezücktem Rotstift gehe ich die Seiten durch und überlege,
inwieweit ein Streichkäse tatsächlich »unbeschwerte Leichtigkeit und vollen
Genuss« im Leben vermitteln kann, so wie es in unserer Markenstrategie
angedacht ist. Wenn das alles so einfach wäre.
Mein Telefon klingelt.
Sonja vom Empfang ist dran. »Deine Kaffeelieferung ist da«,
informiert sie mich.
»Ich habe nichts bestellt«, gebe ich knapp zurück.
»Keine Ahnung, jedenfalls steht hier ein Wagen mit einer Lieferung
für dich vor der Tür.« Sonja wird ungeduldig. »Du, hier klingelt es auf allen
Leitungen, kannst du dich bitte selbst darum kümmern?«
Ich stehe auf und trotte über die Treppe hinunter ins Foyer. Sonja
sitzt mit Headset hinter ihrem Tresen und deutet in Richtung Einfahrt zu einem
dort
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