Caras Schatten
Sie hüpfte zu Caras Laptop, der auf dem Schreibtisch stand. »Also, als Erstes – wichtiger als alles andere – die richtige Musik!« Sie blätterte Caras iTunes-Liste durch.
Cara kletterte vom Bett und öffnete den Badezimmerschrank unter dem Waschbecken. »Was brauchst du denn?«, rief sie.
»Schere, Spiegel, Glätteisen und einen Fön«, rief Zoe über ihre Schulter hinweg. »Madonna! Perfekt.« Im nächsten Moment dröhnte Like a Virgin durch den Raum. »Like a virgin, touched for the very first time«, sang Madonna.
Wie eine Jungfrau, das passt ja perfekt , dachte Cara, während sie das Glätteisen aus den Tiefen des Badezimmerschranks hervorkramte. »Meine Eltern denken bestimmt, ich hätte mich in jemand anderen verwandelt«, sagte Cara. »Den Song hör ich so gut wie nie.«
»Die kommen doch nicht hier rein, oder?« Zoe klang ein wenig besorgt. Sie stellte die Musik leiser.
Cara zog das Glätteisen mit einem Ruck aus dem Schrank und kippte dabei mehrere Flaschen Shampoo um. »Nein, keine Sorge«, rief sie zurück und blies sich ihr Haar aus dem Gesicht. »Meine Mutter hat uns übrigens vor ein paar Tagen gehört – aber sie glaubt, ich hätte einfach nur im Schlaf geredet. Sie vergräbt sich sowieso am liebsten unten in ihrem Büro.« Cara stand auf und pustete den Staub vom Glätteisen. »Hier.« Sie reichte es Zoe. »Ich habe das Ding nicht mehr benutzt, seit … hm … vermutlich noch nie. Und guck mal, ich hab sogar Mascara und Lipgloss gefunden. Die müssen so um die hundert Jahre alt sein.«
»Gut, dann ist dies also der Beginn deines neuen Lebens.« Zoe setzte Cara vor den Spiegel ihres Schminktisches und breitete ein Handtuch über ihre Schultern. Sie näherte sich mit der Schere.
»Warte mal!« Cara packte Zoes Hand. »Hast du etwa vor, trocken zu schneiden?«
»Na klar. Das machen alle Topstylisten so.« Zoe klang extrem selbstbewusst. Sie befreite ihre Hand mühelos aus Caras Griff. »Der Igel wird dir supergut stehen. Jetzt brauche ich nur noch eine Haarschneidemaschine …«
»Was?«
Zoe lachte. »War ’n Witz! Jetzt sei endlich still und entspann dich. Es wird toll aussehen.«
Cara schloss die Augen, während Zoe in ihrem Nacken die erste Strähne abschnitt. Sie verschwendete keine Zeit. Die Haare, die zu Boden fielen, kamen Cara beängstigend schwer vor, doch sie weigerte sich, die Augen zu öffnen. Schließlich hörte sie, wie Zoe die Schere beiseitelegte. Ein kühler Spraynebel breitete sich über ihren Kopf. Sie spürte, wie Zoes selbstbewusste Finger ihr Haar aufschüttelten. Dann folgte das Klicken des Glätteisens, das sich langsam aufheizte. »Du hast zwar eh schon glatte Haare, aber das Glätteisen wird dir die Unebenheiten rausbügeln und dein Haar schön glänzen lassen«, erklärte ihr Zoe, während sie die heißen Metallplatten an einer Strähne ansetzte.
»Au! Das ist heiß!«, jammerte Cara und kniff ihre geschlossenen Augen noch fester zu. Der stechende Geruch von verbranntem Haar drang ihr in die Nase. »Gott, Zoe, verkohl mir nicht die Haare«, flehte sie.
»Oh, sorry! Ich dreh es ein bisschen runter«, sagte Zoe. Sie arbeitete sich systematisch um Caras Kopf herum. Ein paar Minuten später legte sie das Gerät beiseite. »Okay, fertig. Aufmachen.«
Cara öffnete die Augen. Das Mädchen im Spiegel hatte, wie sie selbst, ein unscheinbares, blasses Gesicht, das jedoch von einem wild zerzausten Bob umrahmt wurde. Es hatte etwas von einem coolen Rocker Girl. Langsam bewegte sie den Kopf hin und her. »Wow«, sagte sie. Zoe hatte es tatsächlich geschafft, ihr Haar voller wirken zu lassen. Ein langer Pony fiel ihr schräg über die Stirn.
»Warte! Warte! Das hier ist der krönende Abschluss.« Zoe beugte sich zu ihr herunter. Sie verpasste ihren strichgeraden Wimpern einen Hauch Mascara und ihren Lippen einen Tupfer Berry Lipgloss. »Nur ein bisschen. Es soll schließlich nicht zu gewollt wirken.«
Cara erhob sich langsam von ihrem Stuhl. »Zo, das ist echt genial. Ich hätte nie gedacht, dass meine Haare so aussehen könnten.«
Zoe strahlte. »Ich kenne mich aus, was? Du siehst aus wie Kristen Stewart.« Sie beugte sich über die Zeitschrift, die sie gelesen hatte, als Cara ins Zimmer kam, und blätterte die zerknitterten Seiten durch. »Hier, siehst du?«
Cara spähte ihr über die Schulter. Kristen stand in einem langen dunkelblauen Seidenkleid auf einem roten Teppich, den Körper zur Seite gewandt und mit einem unbehaglichen Ausdruck auf dem
Weitere Kostenlose Bücher