Carina - sTdH 3
ein
Shylock, der von der Jagdleidenschaft besessen war; er rannte immer wieder zum
Fenster, um zu sehen, ob die Kutsche schon da war, rang dazwischen seine Hände
und rief: ›Oh, meine Tochter – oh, die Jagd – oh, meine Tochter – oh, bitte,
Gott der Füchse, gib uns Jagdglück.‹
In was für
eine mißliche Lage ich euch alle gebracht habe! Jetzt brauchen Sie nur noch mit
dem Kopf zu nicken, und ich lasse eine Anzeige an die Zeitungen schicken, die
die Auflösung unserer Verlobung bekanntgibt.«
Er nahm
ihre beiden Hände in die seinen.
»Ich weiß,
daß Sie mit Guy Wentwater durchbrennen wollten«, sagte er sanft.
Bis zu
diesem Augenblick hatte Carina gedacht, sie hätte die Demütigungen bis zum
letzten Tropfen ausgekostet, aber diese Feststellung bewies, daß sie im Unrecht
war.
»Woher
wissen Sie es?« flüsterte sie.
»Ach,
Kleinigkeiten, aus denen ich mir schließlich ein Bild gemacht habe«, sagte er
leichthin. »So ging ich hin und habe Ihre Hutschachteln geholt. Dabei hatte ich
ein äußerst interessantes Gespräch mit Mr. Wentwater. Nachdem ich gehört hatte,
wie empörend er sich benommen hat, war ich überzeugt, daß Sie ihn nie
wiedersehen wollten. Wissen Sie, ich habe gedacht, daß Sie michmit der
Zeit ein bißchen liebgewinnen würden.«
»Und Mr.
Wentwater hat Ihnen alles erzählt ... einfach so?« murmelte Carina.
»Na ja,
nachdem ich etwas ... äh ... Druck ausgeübt hatte. Machen Sie sich keine
Sorgen. Er wird Sie nie mehr wieder belästigen.«
Carina
schlug die zitternden Hände vor ihr erhitztes Gesicht. Schon allein die bloße
Vorstellung, mit Guy wegzulaufen, erschien ihr jetzt vollkommen verrückt. Eine
Verrückte hatte dieses Abkommen getroffen.
»Also«,
fuhr er fort, als sie nichts sagte, »habe ich Ihrem Vater versprochen, Sie
morgen nach Hopeworth zu bringen, und dann sind alle Ihre Sorgen vorbei. Ich
weiß, daß Sie nicht gerne in der Stadt sind. Doch vielleicht sehe ich Sie
während der Saison wieder.«
»Es tut mir
leid ... Ich möchte mich entschuldigen ... für alles«, flüsterte Carina.
»Sie sind
nicht in irgendwelchen Schwierigkeiten?« fragte er. »Ist da nichts, was Sie mir
sagen wollen?«
Carina
dachte an ihre Verabredung mit Guy Wentwater. Es schauderte sie. Die ganze
Zeit, seitdem sie in der Bibliothek waren, hatte dieser Mann, Lord Harry
Desire, den als sie Dummkopf angesehen hatte, sie fühlen lassen, daß sie dümmer
als der schlimmste Idiot war. Sie konnte ihm ihren Kummer unmöglich beichten.
Sie
schüttelte trübselig den Kopf.
»Dann,
meine ich, sollten Sie Mr. Radford die erfreuliche Nachricht von der Auflösung
unserer Verlobung bringen«, sagte Lord Harry. »Er ist nur in die Stadt
gekommen, weil Ihr Vater ihn um Hilfe bat. Es wäre sehr gütig von Ihnen, wenn
Sie sich dazu entschließen könnten, Ihrem Vater zu vergeben.«
»Ich muß
mir zuerst selbst vergeben«, flüsterte Carina gebrochen. »Ich bin die Ursache
für all diesen Kummer. Jetzt müssen Geschenke zurückgegeben werden und ...«
»Ich bin
überzeugt davon, daß Ihre Schwester, Lady Sylvester, alles aufs beste regeln
wird. Ich wollte Sie eigentlich heute abend zu einem Ball bei Lord und Lady
Brothers ausführen. Lady Godolphin wird mit uns kommen. Wenn Ihnen jedoch
nicht danach ...«
»Ich komme
mit«, sagte Carina zerknirscht. Es war ihr auf einmal bewußt, daß es sie sehr
beunruhigen würde zu wissen, daß Mr. Wentwater sie im Green Park erwartete, und
sie hatte Angst davor, daß er womöglich ins Haus käme.
»Dann hole
ich Sie heute abend ab. Vielleicht können wir Freunde werden, jetzt, wo Sie
keine Angst mehr vor einer Heirat mit mir zu haben brauchen.«
»Ja«, sagte
Carina leise.
»Gut«, lächelte
er. »Sie könnten mir eine Braut aussuchen.«
Carina
schaute auf den mit Saphiren und Granaten besetzten Ring an ihrem Finger, zog
ihn ab und hielt ihn Lord Harry stumm hin. Er nahm ihn und tat ihn in seine
Westentasche.
»Sie sind
immer noch überdreht«, sagte Lord Harry. »Erlauben Sie mir, Ihrer Schwester,
Ihrem Schwager und Squire Radford die Auflösung unserer Verlobung mitzuteilen.«
Er stand auf und zog sie hoch.
Sie blickte
zu ihm auf. Er blickte ernst und forschend auf sie herab. Er zog ihre Hände an
seine Lippen und küßte sie sanft.
»Leben Sie
wohl, Carina. Wir werden uns wiedersehen, aber als Freunde.«
Er drehte
sich um und ging aus dem Zimmer, während auf die zutiefst erschütterte Carina
die verschiedensten Empfindungen einstürmten: Demütigung,
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