Carina - sTdH 3
Diamanten
bestand, die gut und gerne tausend Pfund wert waren; eine Herzogin war als
Laufbursche erschienen, und eine andere als die Hexe von Endor.
Aber kein
Kostümfest ohne Sensation! Dieses Mal sorgte ein gewisser Major Humphries von
der Garde dafür. Seine Bemühungen wurden jedoch mit viel Mißbilligung
aufgenommen. Das Magazin für den Gentleman berichtete später darüber:
»Ein Adamskostüm, welches ganz zwangsläufig das Zartgefühl verletzte; fleischfarbene
Seide mit einem eingearbeiteten Schurz aus Feigenblättern offenbarte mehr vom
Körper, als sie verbarg, und mißfiel der gesamten Gesellschaft aufs äußerste.«
Oder, wie ein Witzbold es beschrieb:
»Als wir
dies Paradies betraten, raten Sie, liebe Madam,
Mit welcher
Freude wir begegneten unserem Urvater Adam, Doch war die Erinnerung gar nicht
so angenehm.
Sein
Adamskostüm war eben allzu hauteng.«
Obwohl die Geladenen so taten, als seien
sie von dem skandalösen Kostüm des Majors schockiert, gab es dem Ball doch das
gewisse Etwas an Frivolität. Die Gäste tranken mehr und schneller als
gewöhnlich, und sie flirteten und kokettierten mit übermütiger Schamlosigkeit
durch die Schlitze ihrer Masken.
Ein Herr
war als strohgedecktes Haus gekommen, und er hatte auch nicht das Schild der
Versicherungsgesellschaft vergessen, was eine lärmende Gruppe veranlaßte, Feuer
an das Haus zu legen, daes ja
versichert sei. Glücklicherweise wurde das Feuer mit mehreren Flaschen
Champagner gelöscht, bevor der arme Hausbewohner zu Asche geworden war.
Lord Harry
mußte Carina zweimal vor einem Tanzpartner retten, dessen Zuwendung zu intensiv
wurde.
»Ich hätte
Sie wirklich nicht mitnehmen sollen«, sagte er. »Jetzt habe ich Lady Godolphin
aus den Augen verloren.«
»Macht
nichts«, sagte Carina, erfreut ihn wieder an ihrer Seite zu haben. »Vielleicht
wäre es ganz angenehm, Mylord, dem Gedränge der Tanzenden etwas auszuweichen.«
»Da bin ich
sehr einverstanden. Da drüben in der Ecke ist eine leere Loge. Wenn wir uns
beeilen, sind wir dort, bevor sich jemand anderer setzt.«
Der
Ballsaal bestand aus einer Reihe hintereinanderliegender Salons. In den Ecken
eines jeden Salons waren aus girlandengeschmückten Spalieren Logen errichtet
worden.
Lord Harry
führte Carina zu der leeren Loge und ging eine Erfrischung holen. Die Girlanden
aus Seidenblumen boten einen gewissen Schutz vor den Blicken der Tanzenden.
Einige
Paare nutzten dieses halbe Versteck und benahmen sich in einer Weise, die
Carina nicht mehr im ungewissen über das Liebesleben der Aristokratie ließ.
Ein junger
Mann stürzte in ihre Loge und schloß sie schwungvoll in die Arme. Carina wollte
ihn wegstoßen und stieß einen Schrei aus, aber der Schrei ging in dem
allgemeinen Lärm unter.
Er
versuchte gerade, sie zu küssen, sosehr sie auch ihren Kopf wegdrehte, als sie
plötzlich wieder frei war.
Lord Harry
hob den jungen Mann buchstäblich aus dem Stuhl neben Carina und warf ihn hinaus
auf die Tanzfläche.
»Und ich
habe keinen Tropfen verschüttet«, sagte er heiter und stellte die Flasche und
zwei Gläser auf den kleinen Tisch vor sie hin.
»Es ist
schon eigenartig«, bemerkte Carina und blickte um sich, »daß einem dauernd
gesagt wird, wie man sich in der Gesellschaft zu benehmen hat, und dann muß man
sich das hier ... alles das ... anschauen.«
»Die
Gesellschaft hat zwei Gesichter«, erwiderte Lord Harry. »Ich wundere mich, daß
Sie so bald nach London zurückgekommen sind.«
»Papa
wollte, daß ich ihn begleite.«
»Aha, ich
nehme an, Sie sind seine Lieblingstochter.«
Die
Tochter, die gerade heiratsfähig ist, dachte Carina, und laut sagte sie: »Ich
glaube, er liebt uns alle.«
»Möchten
Sie, daß ich ihm anbiete, mit Ihnen nach Hopeworth auf einen Besuch
zurückzukehren, damit Sie schneller aus der Stadt wegkommen? Ich fürchte, Mr.
Armitage sieht in mir immer noch einen künftigen Schwiegersohn.«
»Nein, wir
fahren sowieso in ein paar Tagen zurück – vielleicht.«
Sie fühlte
sich irgendwie unbehaglich in seiner Gegenwart. Seine Gesichtsmaske machte ihn
zu einem Fremden. Und doch war sie sich seiner Nähe geradezu schmerzlich
bewußt.
Er blickte
um sich, seine Augen glitzerten durch die Schlitze in der Maske. »Ich habe
trotzdem das Gefühl, ich sollte Sie hier wegbringen«, sagte er. »Die Dinge
gleiten mir sonst noch aus der Hand. Gott weiß, was mit Lady Godolphin los ist.
Wenn ich Sie allein lasse, um sie zu suchen, werden Sie womöglich wieder
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