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Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung

Titel: Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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Ordnung war.
    Ja, der Extrakt stand bereit. Die Wärmehaube saß auf der Teekanne. Die Papiere mit dem Aufdruck des fiktiven Anwalts lagen auf dem Couchtisch. Sie schnupperte. Soweit sie es beurteilen konnte, hatte sich der Gestank, den Nørvig hinterlassen hatte, verflüchtigt.
    Dann trat sie an die Tür und wünschte, sie hätte einen Türspion. Sie holte tief Luft und richtete den Blick ein wenig aufwärts, um Curt Wad direkt in die Augen zu sehen, sowie sie die Tür öffnete.
    »Ja, da habe ich nun doch noch Kaffee gefunden. Wegen meiner schlechten Augen hat es ein bisschen länger gedauert«, sagte eine Stimme etwa einen halben Meter tiefer, als Nete erwartet hatte.
    Ihre Nachbarin streckte ihr eine halb volle Kaffeetüte entgegen und gab sich dabei größte Mühe, an Nete vorbei einen Blick in den Flur zu erhaschen.
    Aber Nete bat sie nicht herein, sondern nahm nur dankend die Tüte in Empfang. »Der Nescafé war im Übrigen ausgezeichnet, aber Kaffeepulver ist natürlich nicht zu übertreffen. Darf ich Ihnen sofort das Geld geben? Ich werde Ihnen in den nächsten Wochen keinen Ersatz besorgen können, weil ich verreise.«
    Die Frau nickte, und Nete eilte ins Wohnzimmer, um die Geldbörse zu holen. Inzwischen war es 16.35 Uhr und Curt Wad war noch immer nicht gekommen. Trotzdem, für den Fall, dass er doch noch klingelte, musste die Nachbarin so schnell wie möglich wieder verschwinden. Denn wenn nun im Fernsehen Suchaufrufe gesendet würden! Es waren ja genau solche Frauen wie die Nachbarin, die den ganzen Tag vor der Glotze saßen. Wenn wenig Verkehr war, konnte Nete den Fernseher in der Nachbarwohnung sogar hören.
    »Sie wohnen aber schön«, sagte die Nachbarin.
    Schnell wie ein Brummkreisel schnurrte Nete herum. Die Frau war ihr doch tatsächlich gefolgt! Sie stand hinter ihr im Wohnzimmer und sah sich neugierig um. Besonders die Papiere auf dem Couchtisch und die offenen Fenster schienen sie zu interessieren.
    »Danke, ich bin zufrieden«, erwiderte Nete und gab ihr einen Zehner. »Vielen Dank für die Hilfe, das war sehr freundlich.«
    »Ist Ihr Gast schon gegangen?«
    »Äh, nein, der hat nur kurz etwas in der Stadt zu erledigen.«
    »Dann könnten wir die Wartezeit doch vielleicht nutzen und zusammen eine Tasse Kaffee trinken?«
    Nete schüttelte den Kopf. »Bedaure, das geht nicht, ich muss noch einige Papiere ordnen. Ein andermal gerne.«
    Mit einem gezwungenen Lächeln nickte sie der offensichtlich enttäuschten Frau zu, nahm ihren Arm und geleitete sie bis in den Hausflur.
    »Vielen Dank, sehr freundlich«, wiederholte sie und schloss die Wohnungstür.
    Eine halbe Minute lehnte sie innen an der Tür und wartete, bis sie das Klicken der Nachbartür hörte.
    Und wenn die Nachbarin nun wiederkam, während Curt Wad oder Gitte Charles da waren, was dann? Musste Nete sie dann auch ...?
    Nete schüttelte den Kopf. Sie sah schon die Polizei anrücken und Fragen stellen. Nein, das ging nicht, die Frau war einfach zu dicht dran.
    Oh Gott, lass sie nicht wiederkommen, murmelte Nete. Nicht, dass sie glaubte, höhere Mächte würden ihr zu Hilfe eilen. Nein, bis zum Himmel reichten ihre Gebete nicht. Das wusste sie aus Erfahrung.

    Der vierte Tag bei trocken Brot und Wasser war besonders schlimm gewesen. Netes Welt war auf einmal so klein geworden, dass es darin nicht einmal mehr Platz für Tränen oder für die Gebete gab, die sie besonders nachts immer an Gott gerichtet hatte.
    Also schrie sie stattdessen, verlangte nach Luft und Freiheit und vor allem nach ihrer Mutter.
    »Komm und hilf mir, Mama. Dann drücke ich mich an dich und du bleibst bis in alle Ewigkeit bei mir«, schluchzte sie. Ach, könnte sie doch nur in dem kleinen Garten neben ihrer Mutter sitzen und Bohnen abziehen. Wie würde sie dann ...
    Sie hielt inne, als sie anfingen, an die Tür zu hämmern und zu brüllen, sie solle die Fresse halten. Das war nicht das Personal, das waren einige Mädchen aus dem ersten Stock. Plötzlich schrillte die Glocke auf dem Flur, weil die Mädchen ihre Zimmer verlassen und damit den Alarm ausgelöst hatten, und kurz darauf wurde der Tumult übertönt von der schneidigen Stimme der Vorsteherin. Dann wurde am Türschloss hantiert.
    Keine zwanzig Sekunden später hatte man Nete rückwärts in den Raum gedrückt. Als die lange Kanüle sie traf, warf sie laut brüllend den Kopf zurück, danach versank der Raum vor ihren Augen im Dunkeln.
    Beim Aufwachen stellte sie fest, dass ihre Arme mit einem Lederriemen

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