Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung
verhalten soll. So sähe es eigentlich aus, sagt sie.«
»Eine Liste?«
»Ja ... Jetzt mach dir keine Sorgen, Curt, das ist bestimmt nichts. Der Sturm hat sich gelegt, alter Freund. Aus historischer Sicht ist es natürlich sehr ärgerlich, dass unsere Mitgliederkartei und die gesamte Dokumentation zur Entstehungsgeschichte des Geheimen Kampfs vernichtet sind. Aber dass nach unseren Archiven nun auch dein Archiv in Rauch aufgegangen ist, hat ja vielleicht auch etwas für sich. Geht es dir denn ansonsten gut, Curt?«
»Nein.« Er holte tief Luft. »Beate ist tot.«
Eine lange Pause entstand. Curt wusste, wie Lønberg und andere Veteranen der Organisation für Beate empfunden hatten. Nicht nur für die tüchtige Organisatorin, sondern auch für die Frau. Sie war etwas ganz Besonderes gewesen.
»Ehre ihrem Andenken«, sagte Lønberg nur. Offenbar wusste er sonst nichts zu sagen.
Mit dem Beerdigungsunternehmer war vereinbart, dass er und sein Helfer früh am nächsten Morgen kommen und Beate abholen sollten. Länger müsse sie nicht aufgebahrt sein, hatten sie gesagt. Was für ein unglückseliges Timing.
Traurig betrachtete Curt seine tote Frau. An sich hatte er vorgehabt, ihr heute Nacht zu folgen. Wenn die Bestatter gekommen wären, hätten sie festgestellt, dass sie zweimal würden fahren müssen.
Aber das ging nun nicht mehr.
Er musste zuerst mit Sicherheit wissen, dass Carl Mørck und Hafez el-Assad von der Bildfläche verschwunden waren und dass die Unterlagen, in denen dieser unselige Mørck dort im Krankenzimmer gerade las, nicht die waren, die ihm unter keinen Umständen in die Hände fallen durften.
Er gab Mikaels Nummer ein.
»Leider hat Hafez el-Assad den Schlag auf den Kopf überlebt und im Archiv Feuer legen können, aber wahrscheinlich überlebt er die Folgen nicht. Über eine gute und loyale Kontaktperson versuchen wir in den nächsten Stunden, auf dem Laufenden zu bleiben: eine Krankenschwester, die uns schon oft geholfen hat und auch jetzt dazu bereit ist. Insofern glaube ich, dass wir uns um ihn keine weiteren Gedanken machen müssen. Nein, das Problem ist Carl Mørck.«
»Okay«, lautete die kurze und bündige Antwort.
»Dieses Mal, Mikael, lasst ihr ihn keine Sekunde aus den Augen. Derzeit hält er sich im Krankenhaus von Hvidovre auf. Von dort folgt ihr ihm dichtauf, hörst du? Ihr lasst ihn unter allen Umständen von der Erdoberfläche verschwinden, ist das klar? Fahrt ihn zu Klump, macht, was ihr wollt. Hauptsache, ihr macht es, und zwar bald.«
42
November 2010
A ls die Sanitäter Assad vor der Notaufnahme aus dem Krankenwagen zogen, stand Rose im Schein des zuckenden Blaulichts daneben und starrte auf sein leichenblasses Gesicht. Carl fürchtete, dass eine lange Nacht des Bangens und Wartens auf ärztliche Prognosen Roses Kräfte übersteigen würde. Ihre Nerven lagen blank.
»Kannst du selbst nach Hause fahren?«, fragte er. Er hielt ihr den Autoschlüssel hin. Im selben Moment fiel ihm ihr entsetzlicher Fahrstil ein, aber da war es zu spät.
»Danke!« Sie drückte sich einen langen, grenzüberschreitenden Augenblick an ihn, winkte dann in Richtung von Assads Trage und ging langsam zu dem geparkten Wagen.
Gott sei Dank ist um diese Zeit kaum Verkehr, dachte Carl. Wenn Rose jetzt auch noch etwas zustieß, wäre er die längste Zeit Polizist gewesen. Na, das war er vielleicht sowieso.
Während sich die Ärzte im OP Assads annahmen, saß Carl im Wartezimmer. Schließlich gesellte sich ein Arzt mit ernster Miene zu ihm und teilte ihm mit, der Lunge gehe es Gott sei Dank einigermaßen, dafür sei es infolge des Schädelbruchs zu inneren Blutungen gekommen und die Schäden seien überhaupt nicht abzusehen. Versprechen könnten sie nichts. Die Situation sei sehr ernst, und deshalb sei es dringend erforderlich, Assad ins Rigshospital zu überführen. In der Notaufnahme sei man schon vorbereitet. Dort werde er noch einmal untersucht und wahrscheinlich operiert und anschließend auf die Intensivstation verlegt werden.
Carl nickte. Erbittert starrte er ins Leere. Rose durfte er davon gar nicht berichten, die würde es endgültig umhauen.
Er presste die Unterlagen, die Assad unter seinem Hemd getragen hatte, fest an sich. Für das hier würde Curt Wad bezahlen. Und wenn sie ihm nicht auf legale Weise beikommen konnten, gab es andere Wege. Es war ihm so was von scheißegal.
»Ich habe gerade erst von dem Unglück gehört«, rief im selben Augenblick eine bekannte Stimme über den
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