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Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung

Titel: Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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möglichst wie einer wirken, mit dem man gern eine heiße Nacht verbringen würde. Doch als er beim Einparken vor seinem Reihenendhaus in Allerød sein graues Gesicht im Rückspiegel sah, schien ihm das so gut wie unmöglich.
    Wenn ich mich zwei Stunden langmache, sollte das eigentlich helfen, dachte er. Sekunden später erblickte er Terje Ploug, der gerade vom Haus kommend auf den Parkplatz einbog.
    »Was treibst du denn hier, Ploug?«, rief er noch beim Aussteigen.
    Der zuckte die Achseln. »Der Druckluftnagler-Fall, du weißt schon. Ich musste mir Hardys Version anhören.«
    »Die hast du doch schon mindestens fünfmal gehört.«
    »Ja. Aber nach der aktuellen Entwicklung wäre es ja möglich, dass ihm noch was Neues einfällt.«
    Ploug, der alte Spürhund, hatte Witterung aufgenommen. Im Präsidium gehörte er zu den Gründlichen. Außer ihm käme wohl niemand auf die Idee, fünfunddreißig Kilometer weit zu fahren, nur um eventuell ein kleines Bündel Reisig zu finden, mit dem sich das Misstrauen neu entfachen ließe.
    »Und? Ist Hardy was eingefallen?«
    »Vielleicht.«
    »Was zum Teufel meinst du mit ›vielleicht‹?«
    »Frag ihn selbst«, sagte Ploug und tippte sich zum Abschied mit zwei Fingern an die Schläfe.

    Schon im Flur stürmte ihm Morten Holland entgegen. Mit diesem Untermieter war es schwer, ein Privatleben zu führen.
    Morten sah auf die Uhr. »Wie gut, dass du heute so früh kommst, Carl, wirklich ein Segen. Hier ist viel passiert. Ich weiß kaum, ob ich mich an alles erinnern kann.« Er sprach abgehackt und war völlig außer Atem. Herrje, das fehlte jetzt gerade noch.
    »Brrr«, sagte Carl, aber mit solch einem Kommando war ein Fleischkoloss von hundertzwanzig Kilo nicht aufzuhalten, schon gar nicht, wenn gerade ein Stimmbandkatarrh mit Carl durchging.
    »Ich habe eine geschlagene Stunde mit Vigga telefoniert. Echt 'ne durchgeknallte Sache, du sollst sie sofort zurückrufen, hat sie gesagt.«
    Carls Kopf sackte nach vorn. Falls er noch nicht krank war, jetzt würde er es mit Sicherheit. Wie um Himmels willen konnte diese Frau, mit der er nun schon seit Jahren nicht mehr unter einem Dach lebte, seine Immunabwehr dermaßen beeinträchtigen?
    »Was hat sie denn gesagt?«, fragte er müde.
    Aber Morten wedelte nur kokett-abwehrend mit seinen blassen Händen. Das musste Carl schon selbst herausfinden.
    Der seufzte.
    »Was war sonst noch, also abgesehen davon, dass Terje Ploug gerade hier war?« Er musste sich förmlich zu der Frage zwingen. Lieber schnell alles hinter sich bringen, bevor er aus den Latschen kippte.
    »Jesper hat noch angerufen. Er sagt, sein Portemonnaie sei gestohlen worden.«
    Carl schüttelte den Kopf. Was für ein Stiefsohn! Fast drei Jahre lang hatte sich der Kerl durch die Oberstufe im Gymnasium Allerød gequält und unmittelbar vor den beiden letzten Abiturprüfungen war er ausgestiegen. Miserable Noten. Jetzt war er im zweiten Jahr eines zweijährigen Abitur-Vorbereitungskurses in Gentofte, zog alle naselang aus Protest zwischen Viggas Gartenhaus und Carls Reihenhaus hin und her, hatte jeden zweiten Tag ein anderes Mädchen auf dem Zimmer und im Übrigen viel Party und viel Ärger. Aber so ist es nun mal, dachte Carl resigniert.
    »Wie viel Geld hatte er denn bei sich?«, fragte Carl.
    Morten klimperte mit den Wimpern. Eine Menge also.
    »Ach, der wird schon zurechtkommen«, meinte Carl und trat ins Wohnzimmer.
    »Hallo Hardy«, sagte er ruhig.
    Vielleicht war das Schlimmste, dass sich im Krankenbett nie etwas rührte, wenn man kam. Nicht das kleinste Ziehen an der Bettdecke und keine Hand, die sich einem entgegenstreckte und die man ergreifen konnte.
    Er strich seinem gelähmten Freund über die Stirn, wie er es immer tat. Was hätten diese blauen Augen, die ihn anblickten, darum gegeben, mal etwas anderes zu sehen als dauernd nur die allernächste Umgebung.
    »Aha, du hast DR Update eingeschaltet«, stellte er fest und nickte zum Flachbildschirm in der Ecke hinüber.
    Hardy zog die Mundwinkel herunter. Was sollte er denn sonst tun? »Terje Ploug ist gerade hier gewesen«, sagte er.
    »Ja, ich hab ihn auf dem Parkplatz getroffen. Er deutete an, du könntest Neues beitragen, habe ich das richtig verstanden?« Als es in seiner Nase zu kitzeln anfing, trat Carl einen Schritt zurück, aber dann musste er doch nicht niesen. »Entschuldige, aber ich halte lieber Abstand, ich glaube nämlich, ich brüte was aus. Im Präsidium sind fast alle krank.«
    Hardy versuchte zu lächeln.

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