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Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung

Titel: Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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zu tun?«
    »JEET KUNE DO« [⊗] , rief Ronny auf einmal, dass der Stockfisch nur so aus seinem Mund spritzte und die Gäste an den Nachbartischen fast die Gläser fallen ließen. »Das war dein Kampfruf, Carl. Aalborg, Hjørring, Frederikshavn, Nørresundby. Lief in einem dieser Orte ein Bruce-Lee-Film, dann warst du da. Kannst du dich daran auch nicht mehr erinnern? Als du endlich was anderes als nur Kinderfilme sehen durftest, standest du vor der Kinokasse. So lange konnte das also nicht her gewesen sein. Wenn ich nicht irre, lag die Grenze bei sechzehn Jahren, und als Vater starb, warst du siebzehn.«
    »Wovon redest du, Ronny? Was hat das alles mit dem Tod deines Vaters zu tun?«
    An der Stelle beugte sich sein Cousin wieder weit vor. »Du hast mir den Handkantenschlag beigebracht, Carl. Und nachdem du die Mädchen oben auf der Landstraße entdeckt hattest, hast du dich kein einziges Mal mehr umgedreht. Und genau da hab ich Vater auf den Hals geschlagen. Exakt so, wie du es mir erklärt hattest: nicht wahnsinnig fest, um das Genick nämlich nicht zu brechen, aber trotzdem hart genug. Ich hatte an den Schafen bei uns zu Hause auf dem Land geübt. Ich hab also auf die Halsschlagader gezielt, einmal zugeschlagen und ihm dann noch einen Fersenkicker verpasst. So etwa.«
    Carl sah, wie das Tischtuch am Ende des Tischs zuckte. Ach du Scheiße, wollte er das jetzt etwa demonstrieren?
    »Halt dich ein bisschen zurück, Ronny, und spuck mir keinen Stockfisch auf die Klamotten. Weißt du was? Das ist doch alles großer Käse. Warum redest du so einen Scheiß? Ich hab zu deinem Vater Tschüss gesagt und wir beide sind gleichzeitig abgezogen. Hast du ein solches Trauma bezüglich deines Vaters, dass du derartige Hirngespinste konstruieren musst, um weiterleben zu können? Großer Gott, wie erbärmlich.«
    Ronny lächelte. »Glaub, was du willst. Dessert für dich?«
    Carl schüttelte den Kopf. »Wenn ich dich je wieder so über den Tod deines Vaters reden höre, dann zeige ich dir mal, was Jeet Kune Do ist.«
    Mit diesen Worten stand Carl auf und überließ seinen Cousin und die Reste des Fischs ihrem Schicksal. Sollte der Kerl doch sehen, wem er die Rechnung aufdrückte.
    Aufs Dessert würde er nun wohl verzichten.

    »Du sollst gleich zu Marcus Jacobsen kommen«, empfing ihn der Wachhabende, als Carl zurück ins Präsidium kam.
    Wenn ich jetzt einen Anschiss kriege, dann ist das Maß voll, dachte Carl, als er die Treppe nach oben stapfte.
    »Ich komme gleich zur Sache, Carl«, sagte Marcus, noch ehe Carl die Tür hinter sich zugemacht hatte. »Und ich bitte dich, wahrheitsgetreu zu antworten. Weißt du, wer Pete Boswell ist?«
    Carl runzelte die Stirn. »Nein, der Name sagt mir nichts.«
    »Heute Nachmittag haben wir bezüglich der Leiche auf Amager einen anonymen Hinweis bekommen.«
    »Ach ja? Ich hasse anonyme Hinweise. Worauf läuft es hinaus?«
    »Dass das Opfer Engländer ist. Pete Boswell, neunundzwanzig Jahre, farbig, mit jamaikanischem Hintergrund. Er verschwand im Herbst 2006. War im Hotel Triton einquartiert und bei einer Firma angestellt, die unter dem Namen Kandaloo Workshop registriert und auf den Handel mit indischen, indonesischen und malaysischen Kunstgegenständen spezialisiert ist. Das sagt dir nichts?«
    »Null.«
    »Dann ist es doch sonderbar, dass unser anonymer Informant aussagt, du, Anker Henningsen und Pete Boswell, ihr drei hättet an dem Tag, an dem Boswell verschwand, eine Verabredung gehabt.«
    »Eine Verabredung?« Carl spürte, wie sich seine Augenbrauen zusammenzogen. »Warum sollte ich eine verdammte Verabredung mit einem Mann haben, der Möbel und Glitzerkram importiert? Ich besitze dieselben alten Möbel, seit ich in das Reihenhaus eingezogen bin. Ich hab kein Geld für neue Möbel, und wenn ich welche bräuchte, dann würde ich wie alle anderen zu Ikea fahren. Was zum Teufel läuft hier, Marcus?«
    »Ja, das frage ich mich auch. Aber lass uns mal abwarten. Bei anonymen Kontaktaufnahmen bleibt es selten bei einem Mal.«
    Kein Wort zu Carls unangebrachter Unterbrechung der Besprechungsrunde.
    [⊗] - Jeet Kune Do ⇒ chinesisch Weg der abfangenden Faust , ist ein von Bruce Lee entwickelter Kampfkunststil bzw. Selbstverteidigungskonzept. Ursprünglich wurde das Kampfsystem Jun Fan Gung Fu bzw. Jun Fan Kung-Fu genannt, wobei Jun Fan von Lees chinesischem Namen herrührt. [⊗]

18
    August 1987
    G itte Charles war wie ein Gemälde, das zu seiner Zeit seinen Schöpfer entzückt hatte und nun

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