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Carolin - GesamtWerk

Carolin - GesamtWerk

Titel: Carolin - GesamtWerk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Bruno Greulich
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über den schroff aufsteigenden Kalksteinwänden, steil und in vielen engen Windungen führte die Straße ins Tal hinab. Simon saß am Steuer ihres Autos, fuhr schnell über den holprigen Belag und sagte beiläufig, dass der Bürgermeister noch einen Bekannten mitbringe. Im nächsten Moment fuhr er fast in den Straßengraben, da er einem rasant entgegenkommenden Transporter ausweichen musste. »Das war knapp«, murmelte er und stellte den Fuß wieder aufs Gaspedal. Kurz huschte sein Blick zu ihr herüber. »Heute kann ich leider nicht mit dabei sein. Sie wollen es nicht.«
    Oh. Wollte er sie wirklich alleine lassen? Das hatte er noch nie getan bei einem solchen »Rendezvous« (wie sie das Treffen mit den Interessenten beschönigend nannte). Noch etwas flauer wurde ihr ums Herz. So vieles hätte es dagegen einzuwenden gegeben und ihr fiel nur das Banalste von allem ein: »Wie soll ich sie verstehen? Du weißt doch, dass ich kein Französisch spreche.«
    Ein Lächeln huschte über seine Miene und sie begriff, wie ungeschickt diese Bemerkung gewesen war. Die naheliegende Antwort kam postwendend: »Sie werden sich schon verständlich machen und vermutlich mehr Interesse an deinen anderen Französischkenntnissen haben.« Seine Hand legte sich auf ihren Schenkel, kehrte aber gleich zum Lenkrad zurück. Es war besser so, denn vor ihnen tat sich eine der vielen Spitzkehren auf, dahinter klaffte ein schaudernd tiefer Abgrund, von keiner Leitplanke gesichert.
    Sie kamen wohlbehalten in der Stadt an, Simon parkte in einer Seitenstraße vor einer Markthalle, erbaut im Stil der Moderne. Eine kleine Gasse führte zu einer belebten Einkaufsstraße mit einem kleinen Supermarkt, einem Fotogeschäft, einem Laden für Tabak und Zeitschriften und natürlich einer Boulangerie. Weiter oben gab es einen Kreisverkehr, auf dessen Rondell üppige Staudenrabatten gelb leuchteten. Carolin wurde zu einem Straßencafé mit runden Tischen und roten Plastikstühlen unter dem dichten Dach einer weit ausladenden Platane geführt. Der Bürgermeister war nicht zu entdecken, offenbar hatte Simon mit seinem abenteuerlichen Fahrstil einigen Vorsprung herausgeholt. Sie ließen sich an einem der freien Tische nieder und sie raffte so unauffällig wie möglich den langen schwarzen Rock mit den seitlichen hohen Schlitzen hinten hoch, zeigte viel Bein, von schwarzen Strümpfen umhüllt; rechtzeitig war ihr blauer Strapsgürtel trocken geworden, den sie auch heute tragen musste.
    Simon bestellte einen Espresso für sie, für sich selbst nichts, denn er konnte nicht bleiben. »Bis dann«, sagte er so beiläufig, als ließe er sie für einen Friseurtermin alleine. Er streichelte über ihr Haar, wandte sich ab und schlenderte die Straße hinauf, entschwand beim Rondell ihren Blicken. Da saß sie wie ein Schaf auf der Opferbank. Aber nein, sie war kein Opfer, sie tat nur, wozu ihr Inneres sie trieb. Wenn schon Schaf, dann eines, das den Weg zur Opferbank selbst gegangen war, weil es keinen besseren für sich kannte. Aber gab es wirklich nichts Besseres, als hier inmitten fremder Menschen, deren Sprache sie nicht verstand, auf zwei fremde Männer zu warten wie eine ? Sie unterbrach den Gedanken und zupfte den Rock über den Saum der Strümpfe. Aber nein, das durfte sie nicht. Gleich glitt der geschmeidige Stoff wieder herab. Die Knie zu schließen wagte sie ebenfalls nicht, hatte ja ihre Anweisungen Ein älteres Paar am Nachbartisch schaute irritiert herüber und ein junger Mann zwei Tische weiter versuchte mit ihr zu flirten; ihr Blick wich vor ihm zur Seite.
    Da kam er herangeschlendert, der Bürgermeister, endlich, hätte sie beinahe gedacht. Er war gekleidet wie vor zwei Tagen, trug das blaue Sakko, das ihm Würde verleihen sollte, begrüßte sie von weitem schon mit einem vorfreudigen Grinsen. An seiner Seite schritt ein jüngerer, schlanker Mann, einen Kopf größer als er, dazu eleganter in seinem weißen Leinenanzug und dem zartblauen Hemd mit offenem Kragen. Seine Erscheinung war städtisch, seine Miene wirkte abgeklärt, das Gesicht war glatt und schmal, das Haar dunkel, fast schwarz, nach hinten gekämmt, schmale braune Augen betrachteten sie prüfend. Sie ließen sich rechts und links von ihr am runden Tisch nieder und wechselten einige Worte, aus denen sie nur ihren Namen heraushörte. Der Fremde musterte sie aufdringlich und kaum verborgen vom herabhängenden weißen Papiertischtuch schob sich seine Hand zwischen ihre Schenkel. Wie dreist er doch war.

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