Caroline und der Bandit
etwas wie eine Hölle, und er befand sich mittendrin.
Am nächsten
Morgen hatte sich die Wunde an seiner Seite infiziert, und Guthrie bekam hohes
Fieber. Was um ihn herum vorging, nahm er nur verschwommen wahr, aber als er
den Schrei draußen hörte, wußte er ganz instinktiv, daß er von Jacob kam.
Wahrscheinlich weil er verflucht war, wie sein Vater immer behauptet hatte, überlebte
Guthrie und erholte sich nach einiger Zeit von seiner Verletzung. Sobald er
wieder gehen konnte, machte er sich auf die Suche nach seinem Freund.
Er fand
Jacob an der Kläranlage, wo er mit gebeugten Schultern und leeren Augen Kalk
in die stinkende Grube schaufelte. Dicke Fliegen umhüllten ihn wie eine
schwarze Wolke. Jacobs Lippen bewegten sich nicht, aber seine Augen sagten: Du
kommst zu spät. Er schob sein schmutziges Hemd beiseite und zeigte Guthrie
ein häßliches Brandmal auf seiner linken Schulter.
Bis zu
diesem Augenblick hatte Guthrie nie wirklich Haß auf die Yankees
empfunden. Sie waren für ihn grüne Jungen gewesen wie er selbst, die geglaubt
hatten, an einem aufregenden Spiel teilzunehmen, bis sie feststellen mußten,
daß es tödlich ernst war. »Welcher von ihnen ist Pedlow?« fragte er und nahm
eine Schaufel in die Hand, um keine unnötige Aufmerksamkeit zu erregen.
Auch Jacob
arbeitete weiter. »Es ist der, der am Tor steht und sich mit dem Messer die
Fingernägel reinigt.«
Guthrie
musterte den Mann verstohlen. Er hatte ungefähr seine Körpergröße, war jedoch
älter und kräftiger, und zahllose Pockennarben entstellten seine Züge.
Als hätte
er Guthries Blick gespürt, hob Pedlow den Kopf und schaute zu ihm herüber. Die
beiden Männer starrten sich eine Weile schweigend an, dann wandte Pedlow sich
ab, spuckte in den Schmutz und schlenderte davon.
Drei Tage
lang beobachtete Guthrie den Sergeanten, prägte sich seine Gewohnheiten und
seinen Dienstplan ein. Guthrie war krank und sehr geschwächt, aber durch eine
ironische Laune des Schicksals war Pedlow für ihn der Grund geworden,
weiterzuleben und weiterzukämpfen. Wann immer Guthrie erschöpft war und den Mut
verlor, brauchte er sich nur vorzustellen, wie der Sergeant das glühende Eisen
auf Jacobs Haut gepreßt hatte, und schon bezog er neue Kraft daraus.
Endlich
wurde Pedlow für den Nachtdienst am Südtor eingeteilt, was Guthrie sehr
passend fand, da der Weg in die Freiheit für ihn nur nach Süden führen konnte.
Eine Stunde
nach Einbruch der Dunkelheit schlich er sich hinter den Sergeanten und schlug
ihn mit einem dicken Stein nieder, den er schon seit Wochen für diese
Gelegenheit aufbewahrt hatte. Dann schleppte er Pedlow hinter eine Reihe von
Regentonnen und nahm ihm Messer und Uniform ab.
Guthries
Hände zitterten, als er blitzschnell seine eigenen blutverschmierten Sachen
gegen die blaue Unionsuniform auswechselte und Pedlows Flinte an sich nahm.
Als ein halbes Dutzend Soldaten vorbeischlenderte, hielt er sich im Schatten
und brummte nur etwas als Antwort auf ihren gleichgültigen Gruß.
Als Pedlow
wieder zu sich kam, trat Guthrie mit dem Stiefel absatz auf seine Kehle und
flüsterte warnend: »Es würde mein Gewissen nicht belasten, dir den Hals zu
brechen, du gemeiner Hund – also gib mir nicht mehr Grund dazu, als ich ohnehin
schon habe.«
Der Yankee
gab ein klägliches Geräusch von sich, und Guthrie zerriß sein gelbes Halstuch
und knebelte und fesselte Pedlow damit.
Danach
marschierte er dreist in die Baracken und weckte Jacob und ein halbes Dutzend
anderer Männer, die er für kräftig genug hielt, die Flucht zu überstehen. Als
er die Männer aus dem Südtor führte, mußte es für jeden Beobachter so aussehen,
als begleitete ein Sergeant der Union einen Trupp Gefangener zur Arbeit
außerhalb des Lagers.
Obwohl
Guthrie und den anderen die Flucht in Wirklichkeit gelungen war, wurde er an
dieser Stelle seines Traums immer ins Lager zurückgeschleppt und auf die
gleiche Weise gebrandmarkt wie sein Freund Jacob. Die Erfahrung war so
realistisch, daß Guthrie mit einem Schrei erwachte, sich aufrichtete und mit
wilden Blicken um sich schaute. Tob, der zusammengerollt an seinen Füßen lag,
stieß ein leises, mitleidiges Winseln aus.
Guthrie war
schweißgebadet. In der Dunkelheit tastete er nach seinem Revolver und umschloß
ihn mit zitternder Hand. Er brauchte fast fünf Minuten, um aus dem Damals in das
Jetzt zurückzukehren und wieder in einen unruhigen Schlaf zu sinken.
Eine
ohrenbetäubende Explosion
erschütterte das
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