Caroline
sichtgeschützt zwischen Weidenstämmen und Sträuchern und stellte den Motor ab. Wir blieben eine Weile lang mit geöffneten Fenstern sitzen und schauten uns um.
Der Hafen sah einfach und neu aus. Er bildete ein künstlich angelegtes Viereck, das von frisch gepflanzten Bäumen gesäumt wurde. Um das begrünte Hafenbecken herum verlief ein unkrautbewachsener Wall aus aufgeschütteter Erde. Die Holzstege waren über einen Fußweg erreichbar. Ein niedriges Gebäude aus grün gebeizten Brettern duckte sich an Land vor einer Baumreihe. Zum Wasser hin wurde der Hafen von einem schmalen weidenbepflanzten Deich vor den Elementen geschützt. Ein Plattenweg führte ans Ende des Deiches zur Ein- und Ausfahrt für die Jachten. Hier und da lagen noch Reste von Betonplatten herum.
Wir stiegen aus und ich drehte Nel an den Schultern zu mir um und zog den Reißverschluss ihres schwarzen Anoraks zu. Man sah ihr an, dass sie fror. Masten wiegten sich hin und her und Stagen klickten im Wind. Bäume knarrten. Das waren die einzigen Geräusche. Wir stiegen über den Erdwall und folgten dem Weg am Hafen entlang zu dem Holzgebäude. Es war zu, die Fenster abgeschottet, alles abgeschlossen. Wir liefen über die Holzstege und suchten die Ophelia.
Im Hafen lagen ungefähr genauso viele Segeljachten wie Motorboote, die meisten von bescheidener Größe, dazu einige wenige größere Motorjachten. Die Ophelia lag am dritten Steg, ein Motorkreuzer mit einem kurzen Cockpit, einem Segeltuchdach über der Steuereinrichtung sowie einer Kabine. Wir stiegen die Leiter zum Cockpit hinunter. Die Kabinentür war abgeschlossen. Ich ging das schmale Gangbord entlang nach vorne, wo sich ein kleiner Raum mit einer weiteren Kabinentür befand, die ebenfalls abgeschlossen war.
Ich schaute durch die Fenster und sah Sitzbänke, einen Tisch und weiter hinten einen kleinen Kartentisch mit Echolot. Es gab eine Anrichte mit Schränken, einen Kühlschrank und einen Gaskocher. Aber vor allem lag alles Mögliche herum, Kleidung, Segelzubehör, einige Taschenbücher, angebrochene Kekspakete und Essenswaren, eine Bratpfanne auf dem Gaskocher. Man hatte den Eindruck, dass das Schiff mitten in der Saison seinem Schicksal überlassen worden war, ohne dass sich jemand die Mühe gemacht hatte, die Unordnung zu beseitigen und sauber zu machen.
Ich kehrte zurück zu CyberNel ins Cockpit. Wir durchsuchten die Schränkchen unter dem Armaturenbrett und die Aufbewahrungsfächer unter den Sitzbänken und fanden Taurollen, eine Persenning, kleine Eimer, einen Kanister mit Diesel und einen kleinen Anker. Ich klappte die Bänke wieder zu und setzte mich auf das kalte Holz.
»Das Schloss ist so klein, dass ich keinen Dietrich dafür habe«, sagte ich. »Ich komme nur rein, indem ich die Tür aufbreche.«
»Was hoffst du zu finden?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Da drin sieht es aus, als hätte dort ein Landstreicher gehaust.«
»Meiner Meinung nach vergeuden wir hier unsere Zeit«, sagte CyberNel. »Wenn die Ophelia eine Segeljacht wäre, hätten wir wenigstens feststellen können, ob eine Sturmfock oder ein halbes Genuasegel fehlt, falls sie sie darin eingewickelt hätte.«
Wir konnten die Tür auf keinen Fall aufbrechen, denn das hätte jegliches eventuell vorhandene Beweismaterial unbrauchbar gemacht. Jeder Rechtsanwalt hätte argumentiert, dass irgendjemand auf dem Boot eingebrochen und es dazu benutzt habe, die Leiche in den See zu werfen, so wie Straftäter sonst auch gestohlene Autos benutzten, um ein Ding zu drehen.
»Sie brauchte die Kajüte noch nicht mal zu betreten«, sagte Nel. »Nicht, wenn alles störungsfrei verlaufen ist.«
»Anfang Juli waren doch sicher Leute hier.«
»Nachts? Das hier sieht mir nicht nach einem Hafen für Besucher aus. In Huizen oder Almere ist es garantiert viel belebter. Das nächste Restaurant liegt eine halbe Stunde Fußmarsch entfernt.« Sie schüttelte den Kopf. »Die Eigentümer dieser Boote wohnen hier in der Nähe, in Eemnes oder in Baarn, und die meisten gehen abends nach Hause und grillen im Garten.«
»Aber bestimmt schlafen auch ein paar von ihnen auf ihren Booten. Sie fahren morgens früh raus, legen irgendwo zum Essen an und kehren abends wieder zurück, dadurch sparen sie Liegegebühren. Damit musste Hetty zumindest rechnen.«
Ich fragte mich, ob Hetty überhaupt in der Lage gewesen war, nüchtern zu denken, nachdem sie eine unschuldige junge Frau, die ihr vollkommen vertraute, ermordet hatte und anschließend ihre
Weitere Kostenlose Bücher