Caroline
Alle Patienten schliefen oder waren bewusstlos. Die Tür war geschlossen. Meine Kopfschmerzen konnte ich einigermaßen ertragen, als ich die Knie anzog, die Bettdecke beiseite trat und mich von dem hohen Krankenhausbett rutschen ließ. Ich kniete mich auf den Boden und zog Nels Plastiktüte hervor. Mein Nachbar lag leise röchelnd und stöhnend auf dem Bauch. Seine Hand hing neben dem Bett herunter, gefährlich dicht über der Steuerkonsole mit Alarmknöpfen und Schaltern. Ich zog mich leise an und dachte bei mir, dass Albträume in Krankenhäusern wohl meist von misslungenen Operationen oder einem Erwachen in der Leichenhalle handelten. Ich schlüpfte in die weichen Lederslipper, Leisetreter, die mir Nel klugerweise ausgesucht hatte, und steckte den Rest meiner Sachen aus der Nachttischschublade in meine Taschen. Ich hielt meine Armbanduhr unter das schwache Licht und sah, dass es halb eins war.
Ein geborgter Arztkittel mit Stethoskop wäre besser gewesen; jede Verkleidung wäre besser gewesen als der Anblick, den ich bot. Ich sah aus wie ein unrasierter Landstreicher in zerknitterter Kleidung, noch dazu mit dem heimlichtuerischen Verhalten eines typischen Flüchtlings.
Den Aufenthaltsraum der zeitschriftlesenden Nachtschwester hatte ich problemlos passiert und beobachtete die Leuchtanzeigen des Aufzugs, der mir sicherer erschien als die Treppe. Ich musste lange warten. Nicht nur das, sondern auch die Tatsache, dass der Lift von oben kam, hätten mich warnen sollen, doch schließlich hatte ich eine Gehirnerschütterung. Als die Türen aufglitten, stand ich Auge in Auge mit einer Frau – und zwar mit Arztkittel und Stethoskop.
»Wer sind Sie?«, fragte sie irritiert.
»Guten Abend.« Ich betrat den Aufzug und drehte mich zu den Knöpfen um. »Wollen Sie auch nach unten?«
Sie griff nach dem Telefon, während sich die Türen schlossen. »Sollten Sie nicht im Bett liegen?«
»Doch, natürlich, aber es gab einen Notfall. Ich bin Pater Damiaan.«
»Pater Damiaan?« Sie ließ ihre Hand auf dem Telefon liegen und musterte stirnrunzelnd die Pflaster auf meinem Kopf.
»Vom Heiligen Herzen, wegen der Sakramente.« Der Aufzug setzte sich in Bewegung.
Ich beobachtete ihre Hand und ihr Stirnrunzeln und versuchte sie mit einer wilden Geschichte abzulenken. »Die Angehörigen von Meneer Winter auf der zweiten Etage haben mich angerufen, er sei heute Morgen mit schweren Hirnverletzungen eingeliefert worden. Aber ich bin umsonst gekommen, die Schwestern sagen, es sei noch nicht mal was Ernstes, er wird es auf jeden Fall überleben. Die Leute geraten heutzutage sofort in Panik, sie sehen zu viel fern und lesen Arzt romane statt erbaulicher Literatur.«
Ich konnte ihrem Gesicht ansehen, dass sie mehr Gefühl für Regeln als für Humor besaß. »Es tut mir leid, aber ich muss das überprüfen.« Sie nahm den Hörer von dem Apparat an der Wand, bevor der Gedanke an ein Handgemenge überhaupt in mir aufkommen konnte. »Kees, hast du einen Pater Damiaan hineingelassen, der zu einem Patienten namens Winter wollte?«
»Ob die Leute noch die Bibel lesen, was meinen Sie?«, fragte ich.
Sie ignorierte mich, doch dann hielt der Aufzug und die Türen glitten auf. »Ich muss jetzt leider gehen«, murmelte ich.
Sie hielt mich nicht zurück und mir wurde klar, warum, als sie in den Hörer sagte: »Jemand mit einer Kopfverletzung. Hältst du ihn einen Moment auf, damit wir das überprüfen können?«
Die Türen gingen wieder zu und sie musste sie mit einer Hand offen halten, während sie in der anderen den Telefonhörer hielt. Die Aufzüge befanden sich in einer Nische in einem kurzen Flur. Rechts lag ein großer erleuchteter Raum, wo sich vermutlich der Haupteingang und auch Kees befanden. Ich entschied mich für die andere Richtung und rannte auf eine Kunststofftür zu, in das Krankenhausgebäude hinein.
Hinter mir hörte ich die Ärztin rufen: »Halt, jetzt warten Sie doch mal!«
Dann schlugen die Schwingtüren zu und ich bog in den erstbesten Seitengang ein und eilte an verlassenen Büros und Sprechzimmern vorbei auf die Milchglastüren am anderen Ende zu. Die Tür war mit einer Querstange gesichert, die man einfach nur nach oben und von sich weg zu drücken brauchte, um vor einem Feuer oder dem Krankenhauspersonal zu fliehen.
Die Drenther Nachtluft, Plattenwege und Sträucher. Es hatte aufgehört zu regnen, aber alles glitzerte vor Nässe und im schwachen Licht sah der Rasen aus wie ein Glasteppich. Ich flüchtete hinüber zu
Weitere Kostenlose Bücher