Carre, John le
stelle sich das nur vor, jetzt - die neueste
Aufstellung ausgerechnet von Jims Dorf - ja, die Wählerliste -, da sie erwogen,
eine Fragebogen-Kampagne von Tür zu Tür in einer Gemeinde j.w.d., besonders bei
neu Zugezogenen, zu starten - Ja, man stelle sich nur vor, stimmte Jim zu, und
von da an traf er Vorkehrungen. Er kaufte Eisenbahn-Fahrkarten - Taunton nach
Exeter, Taunton nach London, Taunton nach Swindon, gültig einen Monat - denn er
wußte, wäre er mal wieder auf der Flucht, würde an Fahrkarten schwer
heranzukommen sein. Er hatte seine alten Ausweise und sein Gewehr hervorgeholt
und hielt sie - leicht greifbar - versteckt; er verstaute einen mit Kleidern
vollgestopften Koffer im Gepäckraum des Alvis und sorgte für einen vollen Tank.
Diese Vorsichtsmaßnahmen milderten seine Ängste etwas, ließen den Schlaf
immerhin zu einer Möglichkeit werden, zumindest solange sein Rücken nicht
schmerzte. »Sir, wer hat gewonnen, Sir?«
Prebble,
ein Neuer, im Schlafrock und voll Zahnpasta, auf dem Weg zur Krankenstube.
Manchmal sprachen die Jungen Jim ohne jeden Grund an, seine Größe und der
Buckel reizten sie dazu. »Sir, das Match, Sir, gegen Saint-Ermin.«
»Sir, die ändern haben
gewonnen, Sir«, bellte Jim. »Wie Sie selber wissen würden, Sir, wenn Sie
zugesehen hätten, Sir«, schwang eine enorme Faust in einem
langsamen Schattenboxhieb gegen die Jungen und schubste beide über den
Korridor zu Matrons Arzneistube.
»Nacht,
Sir.«
»Nacht, du
Knallfrosch«, rief Jim und ging hinüber in den Krankenschlafsaal, um einen
Blick auf die Kirche und den Friedhof zu werfen. Der Schlafsaal war
unbeleuchtet, Jim haßte seinen Anblick und seinen Mief. Zwölf Jungen lagen im
Dunkeln und dösten zwischen Abendbrot und Fiebermessen. »Wer ist das?« krächzte
eine Stimme.
»Rhino«,
sagte eine andere. »He, Rhino, wer hat gegen Saint-Ermin gewonnen?«
Es war
ungehörig, Jim mit seinem Spitznamen anzusprechen, aber Jungen im Krankensaal
fühlten sich von der Disziplin entbunden. »Rhino? Wer zum Teufel ist Rhino? Kenn ich
nicht. Für mich kein Name«, schnaubte Jim und quetschte sich zwischen zwei
Betten durch, »Weg mit der Taschenlampe, nicht gestattet. War ein verdammt
leichter Sieg. Achtzehn zu null für die Ermins.« Das Fenster reichte fast bis
zum Boden. Ein altes Kamingitter schütze es vor den Jungen. »Zu viel Gestümper
in der Dreiviertellinie«, brummte er und äugte hinunter. »Ich hasse Rugby«,
sagte ein Junge namens Stephen. Der blaue Ford stand im Schatten der Kirche,
dicht unter den Ulmen. Vom Erdgeschoß aus wäre er nicht zu sehen gewesen, aber
er wirkte nicht versteckt. Jim stand ganz still da, ein bißchen vom Fenster
zurück, und inspizierte den Wagen nach verräterischen Zeichen. Das Tageslicht
schwand bereits, aber er hatte gute Augen und wußte, wonach er Ausschau halten
mußte: zweiter Innenspiegel für den Kurier, Brandstellen unter dem Auspuff. Als
sie seine Spannung spürten, begannen die Jungen zu witzeln. »Sir, ist es eine
Puppe, Sir? Taugt sie etwas, Sir?«
»Sir,
brennt die Schule?«
»Sir, hat
sie hübsche Beine?«
»Gosh,
Sir, ist es wirklich Miss Aaronson?« Hier
begannen alle zu kichern, denn Miss Aaronson war alt und häßlich. »Klappe
halten«, schnappte Jim ärgerlich. »Haltet die Klappe, ihr Rübenschweine.«
Drunten im Tagesraum verlas Thursgood die Anwesenheitsliste der Großen vor der
Lernstunde. »Abercrombie? Sir. Astor? Sir. Blakeney? Krank, Sir.« Von seinem
Beobachtungsposten aus sah Jim, wie die Wagentür aufging und George Smiley
behutsam aus dem Wagen herauskletterte; er trug einen schweren Mantel.
Matrons
Schritte hallten im Korridor. Er hörte das Quietschen ihrer Gummiabsätze und das
Klappern der Fieberthermometer in einem Kleistertopf.
»Mein
lieber Rhino, was tun Sie in meinem Krankensaal? Und schließen Sie den Vorhang,
Sie böser Junge, sonst stirbt mir noch die ganze Bande an Lungenentzündung.
William Merridew, aufsetzen, dalli!«
Smiley
schloß den Wagen ab. Er war allein und trug nichts bei sich, nicht einmal eine
Mappe.
»Sie
schreien in Grenville nach Ihnen, Rhino.«
»Geh
schon, bin schon weg«, gab Jim munter zurück, und mit einem zackigen »Nacht
mit'nander« wuchtete er zum Grenville-Schlafsaal, wo er sein Versprechen, eine
Geschichte fertig zu lesen, einhalten mußte. Beim Vorlesen stellte er fest, daß
er bei manchen Lauten Schwierigkeiten hatte, sie verhakten sich irgendwo in
seiner Kehle. Er wußte, daß er schwitzte, er
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