Carre, John le
vermutete, daß sein Rücken näßte,
und als er mit der Geschichte zu Ende war, hatte er eine Art Krampf im Kiefer,
der nicht bloß vom Vorlesen kam. Aber das alles waren nebensächliche Symptome
im Vergleich zu der Wut, die in ihm aufstieg, als er in die eisige Nachtluft
hinaustrat. Eine Weile stand er unschlüssig auf der unkrautbewachsenen
Terrasse und starrte auf die Kirche. Er würde drei Minuten brauchen, weniger
sogar, um den Revolver unter dem Kirchenstuhl loszumachen, in den Hosenbund zu
stecken, links, Griff nach innen, zur Leiste.
Aber sein
Instinkt sagte »Nein«, also nahm er direkten Kurs auf den Wohnwagen und sang
dabei »Hei diddel dei, hei diddel dei«, so laut seine unmelodische Stimme
reichte.
Jim
Prideaux beschreibt einen Nachtmarsch, und George Smiley sieht zum ersten Mal
Licht
In dem
Motelzimmer herrschte dauernde Ruhelosigkeit. Selbst wenn der Verkehr draußen
eine seiner seltenen Pausen machte, vibrierten die Fenster weiter. Auch die
Zahngläser im Bad vibrierten, und durch beide Zimmerwände und die Decke hörten
sie Musik, Poltern und Gesprächsfetzen oder Lachen. Wenn ein Wagen im Vorhof
ankam, schien das Türenknallen mitten im Zimmer stattzufinden und die Schritte
ebenfalls. Die Einrichtungsgegenstände waren aufeinander abgestimmt. Die gelben
Stühle waren auf die gelben Bilder und den gelben Teppich abgestimmt. Die
Häkeldecken über den Betten paßten zur orangefarbenen Türbemalung und zufällig
auch zum Etikett auf der Wodkaflasche. Smiley hatte alles säuberlich
vorbereitet. Er hatte die Stühle in angemessene Entfernung gerückt, die
Wodkaflasche auf den niedrigen Tisch gestellt, und als Jim nun dasaß und ihn
finster anstarrte, holte er einen Teller mit geräuchertem Lachs aus dem
winzigen Kühlschrank, nebst fertig mit Butter bestrichenem Landbrot. Im
Gegensatz zu Jim war er bemerkenswert gut gelaunt, und seine Bewegungen waren
flink und gezielt.
»Ich
dachte, wir sollten's wenigstens gemütlich haben«, sagte er mit flüchtigem
Lächeln und deckte geschäftig den Tisch. »Wann müssen Sie wieder in der Schule
sein? Ist eine Zeit festgesetzt?«
Als er
keine Antwort erhielt, setzte er sich. »Macht Ihnen das Unterrichten Spaß? Ich
glaube mich zu erinnern, daß Sie's nach dem Krieg eine Weile getan haben,
stimmt das? Ehe Sie wieder zurückgeholt wurden? War das auch ein Internat?«
»Schauen
Sie in den Akten nach«, bellte Jim. »Spielen Sie gefälligst nicht Katz und Maus
mit mir, George Smiley. Wenn Sie irgend etwas wissen wollen, lesen Sie meine
Akte.«
Smiley
langte über den Tisch, goß zwei Gläser ein und reichte eines davon Jim.
»Ihre
Personalakte im Circus?«
»Holen Sie
sie bei der Personalabteilung, bei Control.«
»Ja, das
wäre vielleicht besser«, sagte Smiley zweifelnd. »Der Haken ist nur: Control
ist tot, und ich wurde rausgeworfen, lange ehe Sie zurückkamen. Hat sich
niemand die Mühe gemacht, Ihnen das mitzuteilen, als man Sie nach Hause holte?«
Nun wurden Jims Züge weicher, und er vollführte in Zeitlupe eine jener
Handbewegungen, die den Jungen in Thursgood soviel zu lachen gaben! »Lieber
Gott«, flüsterte er, »Control ist also hinüber«, fuhr sich mit der linken Hand
über die Schnurrbarthörner und dann hinauf zu seinem mottenzerfressenen Haar.
»Armer alter Knabe«, murmelte er. »Woran ist er gestorben, George? Herz?
Herztod?«
»Nicht
einmal das hat man Ihnen bei Ihrer Desinstruktion nach der Rückkehr gesagt?«
fragte Smiley.
Bei dem
Wort »Desinstruktion« wurde Jims Haltung steif und sein Blick wieder starr.
»Ja«,
sagte Smiley, »es war sein Herz.«
»Wer hat
den Job gekriegt?«
Smiley
lachte: »Du liebe Güte, Jim, worüber habt ihr
eigentlich in Sarratt gesprochen, wenn sie Ihnen nicht mal das gesagt haben?«
»Herrgott
noch mal, wer hat den Job gekriegt? Sie waren's nicht, wie, Sie sind
rausgeflogen! Wer hat den Job gekriegt, George?«
»Alleline
hat ihn gekriegt«, sagte Smiley und beobachtete Jim scharf; er sah, daß der
rechte Unterarm regungslos auf seinen Knien lag. »Wem hätten Sie ihn zugedacht?
Sie hatten einen Kandidaten, wie, Jim?« Und nach einer langen Pause: »Und sie
haben Ihnen auch nicht zufällig gesagt, was mit dem Netz Aggravate passiert
ist? Mit Pribyl, mit seiner Frau und seinem Schwager? Oder mit dem Netz Plato?
Landkron, Eva Kriegiowa, Hanka Bilowa? Einige von ihnen haben Sie selber
angeworben, nicht wahr, in den alten Tagen vor Roy Bland? Der alte Landkron hat
sogar vor dem Krieg für Sie
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