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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dame Koenig As Spion (Smiley Bd 5)
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gearbeitet.«
    Es war für
Smiley schrecklich anzusehen, wie Jim keine Bewegung nach vorn machte und auch
nicht zurück konnte. Das unregelmäßige rote Gesicht war von der Qual der
Unentschlossenheit verzerrt, und Schweiß hatte sich in dicken Tropfen über den
rötlichen Brauen gesammelt.
    »Herrgott
noch mal, George, was zum Teufel wollen Sie eigentlich? Ich habe einen
Schlußstrich gezogen. Genau das sagten sie, solle ich tun. Einen Schlußstrich
ziehen, ein neues Leben anfangen, die ganze Geschichte vergessen.«
    »Wer sind
diese sie, Jim? Roy? Bill, Percy?« Er
wartete. »Haben sie Ihnen gesagt, wer immer sie auch waren, was aus Max
geworden ist? Max ist übrigens wohlauf«, fügte er rasch hinzu. Er stand behend
auf, goß Jims Glas aufs neue voll, dann setzte er sich wieder.
    »Na schön,
schießen Sie los, was ist mit den beiden Netzen passiert?«
    »Aufgerollt,
angeblich haben Sie sie verpfiffen, um Ihre eigene Haut zu retten. Ich glaube
es nicht. Aber ich muß wissen, was passiert ist.« Er sprach sofort weiter: »Ich
weiß, Sie mußten Control schwören, bei allem, was heilig ist, aber das ist
vorbei. Ich weiß, daß Sie halb zu Tode ausgequetscht wurden, und ich weiß, Sie
haben einiges so gründlich weggepackt, daß Sie es selber kaum mehr finden und
nicht mehr wissen, was Wahrheit und was Tarnung ist. Ich weiß, daß Sie einen
Schlußstrich darunter gezogen haben und sich sagen, das alles ist überhaupt
nicht passiert. Ich habe das selber auch versucht. Nach diesem Abend können
Sie Ihren Schlußstrich ziehen. Ich habe einen Brief von Lacon bei mir, und wenn
Sie ihn anrufen wollen, dann garantiert er für mich. Ich will Sie nicht zum
Schweigen bringen. Eher zum Sprechen. Warum haben Sie mich nach Ihrer Rückkehr
nicht zu Hause aufgesucht? Das hätten Sie doch tun können. Vor Ihrer Reise
haben Sie versucht, mich zu sprechen, warum also nicht danach? Sie ließen sich
nicht nur von den Vorschriften davon abhalten.«
    »Ist
niemand davongekommen?« sagte Jim. »Nein. Sie wurden vermutlich alle erschossen.«
Sie hatten Lacon angerufen, und jetzt saß Smiley allein da und nippte an seinem
Glas. Aus dem Badezimmer- hörte er Wasserrauschen und Grunzen, als Jim sich
das Gesicht abspritzte. »Gehen wir doch um Gottes willen irgendwohin, wo man
Luft kriegt«, flüsterte Jim, als sei das die Bedingung für seine Sprechbereitschaft.
Smiley nahm die Flasche vom Tisch und ging neben ihm her über den Parkplatz zum
Wagen.
    Sie fuhren
zwanzig Minuten lang; Jim saß am Steuer. Dann hielten sie auf dem Hügel,
demselben vom Morgen, ohne Nebel und mit einem weiten Blick ins Tal. Da und
dort in der Ferne blinkten einzelne Lichter. Jim saß regungslos da, mit
herabhängenden Händen, die rechte Schulter hochgezogen und blickte durch die
beschlagene Windschutzscheibe auf die Hügelschatten. Smiley hielt die ersten
Fragen knapp. Der Zorn war aus Jims Stimme geschwunden, und allmählich sprach
er freier. Einmal, als sie über Controls professionelle Geschicklichkeit
sprachen, lachte er sogar, aber Smiley entspannte sich nie, er war so
aufmerksam, als führte er ein Kind über die Straße. Wenn Jim zu rasch voranzog
oder bockte oder aufbrausen wollte, holte Smiley ihn behutsam zurück, bis sie
wieder im gleichen Schritt und in die gleiche Richtung gingen. Wenn Jim
zögerte, lockte Smiley ihn geschickt über das Hindernis. Eine Mischung aus
Instinkt und Logik erlaubte ihm, Jim zunächst mit seiner eigenen Geschichte zu
füttern. Hatten sie sich nicht für Jims erste Instruktionen durch Control, so
fragte Smiley, außerhalb des Circus getroffen? Ja, das stimmte. Wo? In einem
Apartmenthaus in St. James, Control hatte den Treffpunkt vorgeschlagen. War
sonst noch jemand anwesend? Nein, niemand. Und um sich zum erstenmal mit Jim in
Verbindung zu setzen, hatte Control seinen Leibdiener Mac Fadean geschickt,
nicht?
    Ja, der
alte Mac war mit dem Brixton-Bus und einem Zettel gekommen, worin Jim für den
kommenden Abend zu einem Treffen aufgefordert wurde. Jim sollte Mac ja oder
nein sagen und ihm den Zettel zurückgeben. Auf keinen Fall dürfe er das Telefon
benutzen, auch nicht den Hausapparat, um über die Verabredung zu sprechen. Jim
hatte zu Mac »Ja« gesagt und war um sieben zur Stelle gewesen.
    »Als
erstes hat Control Sie vermutlich gewarnt?«
    »Gesagt,
ich darf keinem Menschen trauen.«
    »Hat er
irgend jemanden namentlich genannt?«
    »Später«,
sagte Jim. »Zuerst nicht. Zuerst sagte er nur: Trauen Sie keinem.

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