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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dame Koenig As Spion (Smiley Bd 5)
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riskant
waren. Gute Arbeit für den Nachrichtendienst, hatte Control immer gepredigt,
sei Schritt für Schritt und auf die sanfte Tour zu erledigen. Die Skalpjäger
waren die Ausnahme von seiner eigenen Regel. Sie arbeiteten weder Schritt für
Schritt noch auf die sanfte Tour, worin sich eher Haydons als Controls
Temperament spiegelte. Und sie arbeiteten solo, und deshalb hausten sie im
Verborgenen hinter einer hohen Steinmauer mit Glasscherben und Stacheldraht
obendrauf.
    »Ich habe
gefragt, ob das Wort Lateralismus Ihnen etwas sagt«, sagte Guillam. »Ganz gewiß
nicht.«
    »Es ist
jetzt die Mode-Doktrin. Früher ging's hin und her. Jetzt geht's in einer
Richtung.«
    »Was soll
das heißen?«
    »Zu Ihrer
Zeit hat der Circus regional funktioniert. Afrika, die Satellitenstaaten,
Rußland, China, Südostasien, und was weiß ich noch alles: jede Region wurde von
ihrem eigenen Juju-Mann geleitet, Control saß im Himmel und hielt die Fäden in
der Hand. Erinnern Sie sich?«
    »Kommt mir
entfernt bekannt vor.«
    »Und heute
gehen alle Operationen von einer Stelle aus. Sie heißt London Station. Die
Regionen sind out, Lateralismus ist in. Bill Haydon ist Befehlshaber von London
Station, Roy Bland seine Nummer zwei, Toby Esterhase rennt wie ein Pudel
zwischen ihnen hin und her. Sie sind eine Dienststelle innerhalb einer
Dienststelle. Sie haben ihre eigenen Geheimnisse und verkehren nicht mit dem
Plebs. Vergrößert unsere Sicherheit.«
    »Hört sich
an wie eine sehr gute Idee«, sagte Smiley und überhörte geflissentlich die
versteckte Anspielung. Als die Erinnerungen aufs neue in sein bewußtes Denken
heraufdrängten, überkam ihn ein wunderliches Gefühl: als lebte er diesen Tag
zweimal, zuerst mit Martindale im Club, jetzt nochmals mit Guillam im Traum.
Sie fuhren an einem Bestand junger Tannen vorbei, das Mondlicht lag in Streifen
zwischen den Bäumen. »Hört man irgend etwas von ...« begann Smiley von neuem.
»Was weiß man Neues über Ellis?« fragte er unverbindlicher. »In Quarantäne«,
sagte Guillam kurz.
    »Ach
gewiß. Natürlich. Ich möchte nicht neugierig sein. Nur, ich meine, kann er sich
behelfen und so? Er ist wieder gesund, aber kann er auch gehen? Der Rücken kann
einem angeblich schwer zu schaffen machen.«
    »Wie es
heißt, kommt er ganz gut zurecht. Ach, ich hab' noch gar nicht gefragt, wie es
Ann geht.«
    »Gut,
danke. Sehr gut.«
    Es war
plötzlich stockdunkel im Wagen. Sie waren von der Straße abgebogen und fuhren
über Kies. Schwarze Mauern aus Blattwerk erhoben sich zu beiden Seiten, Lichter
wurden sichtbar, dann ragte ein hohes Portal und der von Türmchen gekrönte
Umriß eines weitläufigen Hauses aus den Wipfeln. Der Regen hatte aufgehört,
aber als Smiley in die frische Luft hinaustrat, hörte er rundum das rastlose
Ticken nasser Blätter.
    Ja, dachte
er, als ich letztes Mal hier war, hat es auch geregnet; damals als der Name Jim
Ellis Schlagzeilen machte.
    Sie hatten
sich gewaschen und in dem geräumigen Ankleidezimmer Lacons Kletterausrüstung
inspiziert, die gänzlich unpassend in einem wirren Haufen auf der
Sheraton-Kommode lag. Jetzt saßen sie im Halbkreis vor einem leeren Stuhl. Es
war das häßlichste Haus weit und breit, und Lacon hatte es für ein Butterbrot
erworben. »Eine Berkshire-Gralsburg«, hatte er es einmal Smiley gegenüber
genannt, »erbaut von einem millionenschweren Abstinenzler.« Der Wohnraum war
eine riesige Halle mit sechs Meter hohen Buntglasfenstern und einer hölzernen
Galerie über dem Eingang. Smiley zählte die bekannten Gegenstände nach. Ein
Pianino, darauf Stöße von Noten, alte Porträts von Geistlichen in Amtstracht,
ein Stapel gedruckter Einladungen. Er suchte das Universitätsruder aus
Cambridge und sah es über dem offenen Kamin hängen. Das gleiche Feuer brannte
darin, viel zu spärlich für den gewaltigen Rost. Eine Atmosphäre von Kargheit,
die den Reichtum verdrängt hatte.
    »Macht der
Ruhestand Spaß, George?« fragte Lacon, als faselte er gedankenlos in die
Ohrtrompete einer tauben Tante. »Die Wärme des menschlichen Kontakts fehlt
Ihnen nicht? Würde mir schon fehlen, glaube ich. Die alte Arbeit, der alte
Haufen.« Er war ein langes Gerippe von Mann, ohne Eleganz und alterslos
jungenhaft: Der Spion, der aus der Kirche kam, sagte Haydon, der geistreiche
Kopf im Circus. Lacons Vater war Kanonikus der schottischen Kirche gewesen und
seine Mutter irgend etwas Adeliges. Gelegentlich schrieben die smarteren
Sonntagsblätter über ihn und

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