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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dame Koenig As Spion (Smiley Bd 5)
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Abhilfe zu schaffen. Das Ergebnis würde nicht umwerfend
sein, aber was soll's? Vielleicht könnten wir ihn auf Vorrat kaufen, stimmt's,
Mr. Guillam?« Vorrat bedeutete Verkaufs- oder Tauschobjekt für andere Geheimdienste:
ein Handel mit Schmalspur-Verrätern, der den Skalpjägern oblag.
    Guillam,
der Tarr keinerlei Beachtung schenkte, sagte: »Südostasien war Tarrs Pfarrei.
Er saß herum und hatte nichts zu tun, also gab ich ihm den Auftrag, sich an Ort
und Stelle umzusehen und telegrafisch zu berichten.«
    Sooft ein
anderer sprach, versank Tarr in einem Traum. Sein Blick heftete sich auf den
Sprecher, seine Augen verschleierten sich, und es entstand eine Pause, als
komme er wieder zu sich, ehe er fortfuhr.
    »Ich tat
also, was Mr. Guillam angeordnet hatte«, sagte er. »Wie immer, nicht wahr, Mr.
Guillam? Ich bin wirklich ein braver Junge, wenn auch ein bißchen impulsiv.«
    Er flog in
der nächsten Nacht, Sonnabend, den 31. März, mit einem australischen Paß, der
ihn als Autoverkäufer auswies, und zwei unbeschriebenen Schweizer Notpässen,
die im Futter seines Koffers versteckt waren. Es waren Pässe für
unvorhergesehene Fälle, die je nach Bedarf ausgefüllt wurden: einer für Boris,
einer für ihn. Er verabredete ein Treffen im Wagen mit dem Leiter der
Außenstelle Hongkong, nicht weit von seinem Hotel, dem Golden
Gate auf Kaulun.
    Hier
beugte Guillam sich zu Smiley hinüber und flüsterte: »Dusty Thesinger, dieser
Hanswurst. Ex-Major, King's African Rifles. Von Percy
Alleline ausgesucht.«
    Thesinger
brachte einen Bericht über Boris' Bewegungen zum Vorschein, das Ergebnis einer
einwöchigen Überwachung: »Boris war ein komischer Vogel. Ich wußte nicht, woran
ich bei ihm war. Nacht für Nacht pausenlos gezecht. Hatte eine Woche lang nicht
geschlafen, und Thesingers Observanten waren schon die Knie weich. Den ganzen
Tag trabte er mit der Delegation herum, besichtigte Fabriken, leistete
Diskussionsbeiträge und war ganz und gar der brillante junge Sowjetfunktionär.
»Wie jung?« fragte Smiley.
    Guillam
warf ein: »Laut Visa-Antrag geboren in Minsk, 1946.«
    »Abend für
Abend ging er zunächst ins Alexandra Lodge, eine alte
Spelunke am North Point, wo die Delegation abgestiegen war. Er aß mit der
Mannschaft, dann, gegen neun, verdrückte er sich durch die Seitentür, schnappte
sich ein Taxi und ab ging's zu den bekannten Nachtlokalen um die Peddar Street.
Sein Lieblingsplätzchen war das Cat's Cradle in der
Queen's Road, wo er für die einheimischen Geschäftsleute Runden spendierte und
den beliebtesten Mann des Jahrhunderts markierte. Er blieb meist bis Mitternacht.
Aus dem Cradle brauste er straks zum Aberdeen
Harbour, in ein Lokal namens Angelika, wo die Getränke
billiger sind. Allein. Dort draußen sind vor allem schwimmende Restaurants und
die dicken Brieftaschen, aber das Angelika ist ein
Cafe auf dem Festland mit einem Spielzimmer im Keller. Er nahm meist drei, vier
Drinks zu sich und verwahrte die Rechnung. Im allgemeinen trank er Brandy, aber
dann und wann auch zur Abwechslung einen Wodka. Einmal hat er mit einer Eurasierin
angebändelt, und Thesingers Observanten sind ihr nach und haben die Story
gekauft. Sie sagt, er sei einsam gewesen und habe auf dem Bett gesessen und
gejammert, daß seine Frau sein Genie nicht zu schätzen wisse. Das war ein
echter Durchbruch«, fügte er sarkastisch hinzu, als Lacon sich geräuschvoll
über das kärgliche Feuer hermachte und die einzelnen Kohlen zu neuem Leben
schürte. »In dieser Nacht bin ich zum Cradle, um ihn mir
selber anzuschauen. Thesingers Observanten wurden mit einem Glas Milch zu Bett
geschickt. Sie brauchten davon nichts zu wissen.«
    Während
Tarr sprach, überkam seinen ganzen Körper manchmal eine völlige
Bewegungslosigkeit, als lauschte er auf seine eigene Stimme, die ihm auf Band
vorgespielt wurde.
    »Er kam
zehn Minuten nach mir an und brachte sich Gesellschaft mit, einen großen
blonden Schweden mit einer Chinesenbiene im Schlepptau. Es war dunkel, und ich
schob mich hinter den Nebentisch. Sie bestellten Scotch, Boris bezahlte, und
ich saß anderthalb Meter entfernt, beobachtete die lausige Kapelle und
belauschte ihre Unterhaltung. Die junge Chinesin verhielt sich schweigsam, der
Schwede bestritt den Großteil des Gesprächs. Sie sprachen englisch. Der Schwede
fragte Boris, wo er wohne, und Boris sagte, im Excelsior, was eine verdammte Lüge war, denn er wohnte mit dem übrigen
Kirchenchor im Alexandra Lodge. Klar: das Alexandra

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