Carre, John le
steht
recht weit unten auf der Liste. Excelsior klingt
besser. Gegen Mitternacht bricht die Gesellschaft auf. Boris sagt, er muß nach
Hause, und morgen ist ein arbeitsreicher Tag. Das war die zweite Lüge, denn er
ging so wenig nach Hause, wie - welcher ist es doch gleich, Jekyll und Hyde,
richtig! - der ehrenwerte Doktor, der sich in Schale wirft und auf den Schwoof
geht. Also welcher war Boris?« Zunächst half ihm keiner.
»Hyde«,
wiederholte Lacon zu seinen rotgeschrubbten Händen. Er saß jetzt wieder und
hatte sie im Schoß gefaltet. »Hyde«, wiederholte Tarr. »Vielen Dank, Mr. Lacon.
Ich wußte immer schon, daß Sie ein gebildeter Mann sind. Sie begleichen also
die Rechnung, und ich troll mich runter nach Aberdeen, um schon vor ihm da zu
sein, wenn er im Angelika anrückt. Aber ich bin jetzt schon
fast überzeugt, daß ich an der falschen Adresse bin.«
An seinen
trockenen langen Fingern zählte Tarr gewissenhaft die Gründe auf: erstens, er
hatte noch nie eine sowjetische Delegation gesehen ohne ein paar Gorillas,
deren Aufgabe es war, die Jungens von den Fleischtöpfen fernzuhalten. Also, wie
ging Boris ihnen Nacht für Nacht durch die Lappen? Zweitens gefiel ihm die Art
nicht, wie Boris mit seinen Devisen herumwarf. Das war unnatürlich bei einem
Sowjetfunktionär, behauptete er: »Er hat einfach keine verdammten Devisen. Und
wenn er welche hat, kauft er Glasperlen für seine Squaw. Und drittens, es
gefiel mir nicht, wie er log. Zu glattzüngig, um seriös zu sein.« Tarr wartete
also im Angelika, und tatsächlich tauchte nach einer
halben Stunde sein Mr. Hyde mutterseelenallein auf: »Er setzt sich und bestellt
sich zu trinken. Sitzt nur da und trinkt wie so ein Mauerblümchen!«
Wiederum
war Smiley der Empfänger von Tarrs sonnigem Charme: »Also was soll das Ganze,
Mr. Smiley? Sie wissen, was ich meine? Ich habe ein Auge für die kleinen Dinge«,
gestand er, noch immer zu Smiley gewandt. »Zum Beispiel, wie er saß. Glauben
Sie mir, Sir, wenn wir selber dort gewesen wären, wir hätten uns nicht
günstiger setzen können als Boris. Er hatte die Ausgänge und die Treppe im
Auge, überblickte den Haupteingang und alles, was im Lokal vorging, er war
Rechtshänder und hatte linker Hand Deckung durch eine Wand. Boris war ein
Profi, Mr. Smiley, daran war überhaupt nicht zu zweifeln. Er wartete auf eine
Verbindung, betreute einen Briefkasten, oder er hat absichtlich auf die Pauke
gehauen und auf einen Gegenzug von einem Tölpel wie mir gewartet. Und hören
Sie: einen kleinen Pinscher von einer Handelsdelegation zu verheizen, ist eine
Sache. Aber sich mit einem vollausgebildeten Nahkampfspezialisten anzulegen,
ist eine ganz andere, stimmt's Mr. Guillam?« Guillam sagte: »Seit der
Umorganisierung haben die Skalpjäger nicht mehr den Auftrag, Doppelagenten zu
fangen. Sie müssen unverzüglich an London Station weitergereicht werden. Die
Jungens haben stehende Order, sie ist von Bill Haydon persönlich
unterzeichnet. Wenn es nur im geringsten nach der Gegenseite riecht: Hände
weg.« Er fügte, vielleicht nur für Smileys Ohr hinzu: »Der Lateralismus hat
unserer Autonomie den Garaus gemacht.«
»Und ich
habe schon früher mit Doppel-Doppelspielern zu tun gehabt«, bekannte Tarr im
Tonfall der gekränkten Tugend. »Glauben Sie mir, Mr. Smiley, sie sind ein
Natterngezücht.«
»Das
glaube ich Ihnen«, sagte Smiley und rückte affektiert an seiner Brille.
Tarr
telegrafierte an Guillam »kein Verkauf«, buchte einen Rückflug und ging
einkaufen. Aber, da seine Maschine erst am Dienstag abging, dachte er, er könne
inzwischen noch, bloß um sein Fahrgeld zu verdienen, in Boris' Zimmer
einbrechen. »Das Alexandra ist eine ganz baufällige Bude, Mr.
Smiley, in der Nähe der Marble Road, lauter Holzbalkone übereinander. Und die
Schlösser, also Sir, die gehen von alleine auf, wenn sie einen nur kommen
sehen.«
Daher
stand Tarr nach kürzester Zeit in Boris' Zimmer, mit dem Rücken zur Tür, und
wartete, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten. Er stand noch immer
dort, als ihn eine Frauenstimme schläfrig auf russisch vom Bett her anredete.
»Es war Boris' Frau«, erklärte Tarr. »Sie weinte. Ich nenne sie einfach Irina,
ja? Mr. Guillam hat alle Einzelheiten.« Smiley meldete bereits Einspruch an:
»Frau war unmöglich«, sagte er. »Moskau hätte sie niemals beide gleichzeitig
aus Rußland herausgelassen, sie hätten einen behalten und den anderen
fortgeschickt.«
»Ehe nach
dem
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