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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dame Koenig As Spion (Smiley Bd 5)
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ihnen. Schweiß rann ihm über die
Rippen. Ein Mädchen trippelte vorbei und summte eine Melodie aus Hair. Wenn Bill
dich hört, Mädchen, bringt er dich um, dachte er; wenn es etwas gibt, was Bill
in Fahrt brachte, dann war es Summen. »Was haben Sie hier zu suchen, Sie
Paria?«
    Dann hörte
er zu seiner flüchtigen Erheiterung tatsächlich Bills wütendes Gebrüll, das aus
Gott weiß welcher Entfernung erscholl: »Schluß mit dem Gewinsel. Wer ist denn
dieses Kamel?« Weiter. Sobald du stehenbleibst, kommst du nie mehr los; dieses
Lampenfieber macht dich fertig, du vergißt deinen Text und läufst weg, deine
Finger verbrennen, sobald du fündig wirst, und das Herz fällt dir in die Hosen.
Weiter. Er stellte den April-Band zurück und nahm auf gut Glück Februar, Juni,
September und Oktober heraus. Er blätterte sie rasch durch, suchte nach ähnlichen
Fällen, stellte sie ins Fach zurück und ging in die Hocke. Wenn sich doch der
Staub legen wollte, er schien unerschöpflich zu sein. Warum beschwerte sich
niemand? Immer das gleiche, wenn viele Leute den gleichen Gegenstand benutzen:
keiner ist verantwortlich, keiner schert sich einen Deut. Er suchte jetzt die
Anwesenheitslisten der Nachtportiers. Er fand sie im untersten Fach, zwischen
den Teebeuteln und der Dosenmilch: ganze Bündel, in großen Kuverts. Die
Portiers füllten sie aus und brachten sie einem zweimal während der
zwölfstündigen Dienstzeit: um Mitternacht und um sechs Uhr morgens. Man
bestätigte ihre Richtigkeit, was praktisch unmöglich war, denn das Personal vom
Nachtdienst war über das ganze Gebäude verstreut — zeichnete sie ab, behielt
eine dritte Kopie und schmiß sie in den Stahlschrank, niemand wußte, warum. Das
jedenfalls war das Verfahren vor der Sintflut gewesen und war es anscheinend
auch jetzt noch.
    Staub und Teebeutel
im gleichen Fach, dachte er. Wann hat zum letztenmal jemand Tee gemacht?
    Wiederum
konzentrierte er seine Aufmerksamkeit auf den 10./11. April. Das Hemd klebte
ihm an den Rippen. Was ist los mit mir. Herrgott, ich bin auf dem absteigenden
Ast. Er blätterte vor und zurück, dann wieder vor, zweimal, dreimal, dann
stellte er alles zurück und schloß den Schrank. Er wartete, lauschte, warf
einen letzten besorgten Blick auf die Staubwolke und schritt dann kühn über den
Korridor und zurück in die Geborgenheit von »Herren«.
    Unterwegs
fielen ihn die Geräusche an: »Wo ist der verdammte Wisch, ich hab ihn in der
Hand gehabt«, und wieder dieses geheimnisvolle Flöten, aber es klang nicht
mehr wie Camillas Spiel im Morgengrauen. Nächstes Mal bring' ich sie dazu, daß
sie's tut, dachte er grimmig, ohne Kompromiß, Auge in Auge, wie das Leben sein
sollte.
    In
»Herren« standen Spike Kaspar und Nick de Silsky Schulter an Schulter an den
Waschbecken und flüsterten einander im Spiegel zu: Kuriere für Haydons
sowjetisches Netz, seit Jahren im Haus und nur unter dem Namen »die Russen«
bekannt. Als sie Guillam sahen, hörten sie sofort zu sprechen auf. »Hallo, ihr
zwei! Herrgott, ihr seid wirklich unzertrennlich!«
Sie waren blond und vierschrötig und sahen russischer aus als jeder Russe. Er
wartete, bis sie weg waren, wusch sich den Staub von den Fingern und spazierte
zurück in Lauder Stricklands Büro. »Du meine Güte, dieser Delphin redet wie ein
Buch«, sagte er nonchalant.
    »Sehr
tüchtige Kraft. Nahezu unentbehrlich, mehr als jeder andere. Äußerst
kompetent, ich weiß, was ich sage«, sagte Lauder. Er blickte pedantisch auf die
Uhr, ehe er den Zettel unterschrieb, und begleitete ihn zu den Aufzügen. Toby
Esterhase stand an der Schranke und sprach mit dem unfreundlichen jungen Portier.
»Fahren Sie zurück nach Brixton, Peter?« Sein Tonfall war beiläufig, seine
Miene wie immer undurchdringlich. »Warum?«
    »Ich hab'
draußen einen Wagen stehen. Dachte, ich könnte Sie vielleicht mitnehmen. Wir
haben dort draußen etwas zu erledigen.«
    Toby
sprach keine bekannte Sprache perfekt, aber er sprach sie alle. In der Schweiz
hatte Guillam sein Französisch gehört, und es hatte einen deutschen Akzent
gehabt; sein Deutsch klang slawisch, und sein Englisch war voller winziger
Fehler und Stockungen und falschklingender Vokale.
    »Sehr
nett, Toby, ich glaube, ich geh' nach Hause. Gute Nacht.«
    »Direkt
nach Hause? Ich würde Sie hinbringen.«
    »Danke,
ich muß noch Besorgungen machen. Alle diese verwünschten Patenkinder.«
    »Klar«,
sagte Toby, als hätte er auch welche und zog das kleine steinharte

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