Carre, John le
Kinn
enttäuscht zurück.
Was zum
Teufel will er? dachte Guillam wieder. Beide, der kleine Toby und der große
Roy: Warum sind sie so scharf auf mich? Hatten sie vorhin etwas Bestimmtes
gelesen oder etwas in den falschen Hals bekommen?
Draußen
schlenderte er die Charing Cross Road entlang und beäugte die Schaufenster der
Buchläden, während die andere Hälfte seiner Aufmerksamkeit den beiden Seiten
des Gehsteigs galt. Es war bedeutend kälter geworden, Wind kam auf, und Erwartung
stand in den Gesichtern der Vorüberhastenden zu lesen. Er fühlte sich
beflügelt. Bisher hatte er viel zu sehr in der Vergangenheit gelebt, fand er.
Zeit, daß ich mich wieder auf de Gegenwart einschieße. Bei Zwemmer schaute er
sich einen repräsentativen Bildband an mit dem Titel »Musikinstrumente im
Wandel der Jahrhunderte«, und erinnerte sich, daß Camilla eine Abendlektion bei
Doktor Sand, ihrem Flötenlehrer, hatte. Er ging bis zu Foyle zurück und sah
sich im Vorbeigehen die Busschlangen genau an. Betrachten Sie alles wie ein
fremdes Land, hatte Smiley gesagt. Wenn er sich an das Dienstzimmer und Roy
Blands kalte Fischaugen erinnerte, hatte Guillam keine Schwierigkeiten. Und
auch an Bill: Teilte Haydon ihren Verdacht? Nein. Bill war eine eigene Klasse,
dachte Guillam in einer unwiderstehlichen Aufwallung von Loyalität gegenüber
Haydon. Bill würde nie etwas teilen, was nicht ursprünglich seine eigene Idee
war. Neben Bill waren die beiden anderen nur Pygmäen.
In Soho
nahm er ein Taxi und fuhr zur Waterloo Station. Am Bahnhof rief er von einer
übelriechenden Telefonzelle aus eine Nummer in Mitcham, Surrey, an und sprach
mit einem Inspektor Mendel, einem ehemaligen Mitglied der Sonderabteilung, den
Guillam und Smiley aus einem früheren Leben kannten. Als Mendel sich meldete,
fragte er nach Jenny und hörte, wie Mendel ihm kurz angebunden mitteilte, hier
wohne keine Jenny. Er entschuldigte sich und hängte ein. Er wählte die
Zeitansage und mimte ein heiteres Gespräch mit seiner automatischen Partnerin,
denn draußen wartete eine alte Dame auf das Ende des Gesprächs. Inzwischen
müßte er da sein, dachte er. Er hängte ein und wählte eine zweite Nummer in
Mitcham, dieses Mal eine öffentliche Sprechzelle am Ende von Mendels Straße.
»Hier Will«, sagte Guillam.
»Und hier
Arthur«, sagte Inspektor Mendel fröhlich. »Wie geht's, Will!«
Er war ein
gewiefter, unbeirrbarer Spürhund mit scharfen Zügen und scharfen Augen, und
Guillam konnte sich genau vorstellen, wie er sich jetzt mit gezücktem Stift
über sein Notizbuch beugte.
»Ich
möchte Ihnen die Schlagzeilen durchgeben, falls ich unter einen Bus geraten
sollte.«
»Sehr
richtig, Will«, sagte Mendel tröstlich. »Man kann gar nicht vorsichtig genug
sein.« Er berichtete langsam und in Ausdrücken aus der Universitätswelt, was
sie als letzte Sicherung gegen etwaiges Abhören vereinbart hatten: Examen,
Studenten, gestohlene Prüfungsaufgaben. Sooft er absetzte, hörte er nur ein
schwaches Kratzen. Er stellte sich vor, wie Mendel bedächtig und leserlich
mitschrieb und nicht sprach, ehe er alles zu Papier hatte.
»Ich hab'
übrigens die phantastischen Präparate aus der Drogerie gekriegt«, sagte Mendel
schließlich, nachdem er alles nochmals überlesen hatte. »Eine wahre Freude.
Kein einziges verdorben.«
»Vielen
Dank. Das freut mich.« Aber Mendel hatte bereits eingehängt.
Apropos
Maulwürfe, dachte Guillam, ihr Leben muß ein einziger dunkler Tunnel sein.
Aber als er die Tür für die alte Dame offenhielt, sah er den Telefonhörer auf
der Gabel liegen und den Schweiß in Tropfen darüberkleben. Er bedachte noch
einmal seine Botschaft an Mendel, dachte wieder an Roy Bland und Toby
Esterhase, wie sie ihn von der Tür her angestarrt hatten und überlegte
fieberhaft, wo Smiley sein mochte und ob er sich in acht nehmen würde. Er
kehrte zum Eaton Place zurück, sehnte sich nach Camilla und fürchtete sich ein
bißchen vor seinen Gründen. War ihm wirklich plötzlich sein Alter so im Weg?
Zum erstenmal im Leben hatte er sozusagen gegen sein eigenes Elitedenken
gesündigt. Er fühlte sich schmutzig, empfand Ekel vor sich selbst.
George
Smiley sucht wieder einmal Oxford auf und konsultiert eine Gedächtnis-Akrobatin
Es gibt
alte Männer, die Oxford wieder aufsuchen und in jedem Stein einen Gruß aus
ihrer Jugend erblicken. Smiley gehörte nicht zu ihnen. Vor zehn Jahren hätte er
vielleicht ein leises Ziehen gespürt. Jetzt nicht mehr. Als er an der
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