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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dame Koenig As Spion (Smiley Bd 5)
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Bodleian
Library vorüberkam, dachte er: dort habe ich gearbeitet. Beim Anblick des
Hauses seines alten Tutors in der Parks Road erinnerte er sich, wie in diesem langgestreckten
Garten, vor dem Krieg, Jebedee mit dem Vorschlag herausgerückt war, Smiley
könne, wenn er Lust habe, »mit ein paar Leuten, die ich in London kenne«,
sprechen. Und als er vom Tom Tower die sechste Abendstunde schlagen hörte,
fielen ihm Bill Haydon und Jim Prideaux ein, die im gleichen Jahr
hierhergekommen sein mußten, in dem Smiley abgegangen war, und die dann der
Krieg in seinen Strudel gerissen hatte, und er überlegte flüchtig, wie sie
damals wohl nebeneinander ausgesehen haben mochten, Bill, der Maler, Polemiker
und Sozialkritiker; Jim, der Sportsmann, der an jedem seiner Worte hing.
Während ihrer gemeinsamen Blütezeit im Circus hatte diese Verschiedenheit sich,
wie Smiley noch wußte, nahezu ausgeglichen: Jim wurde ein flinker Denker, und Bill
konnte im Außendienst keiner mehr etwas vormachen. Erst am Ende bestätigte
sich die alte Gegensätzlichkeit: das Zugpferd kehrte wieder in seinen Stall
zurück, der Denker an seinen Schreibtisch. Einzelne Regentropfen fielen, aber
er sah sie nicht. Er war mit dem Zug gekommen und vom Bahnhof aus auf allerlei
Umwegen - Blackwells, immerhin sein früheres College, dann nordwärts - zu Fuß
gegangen. Wegen der Bäume war die Dämmerung hier früh eingefallen.
    Vor einer
Sackgasse hielt er aufs neue inne, machte aufs neue Inventur. Eine Frau, in
einen Schal gehüllt, radelte durch die Lichtkegel der Straßenlampen, soweit
sie die Nebelschwaden durchstachen, an ihm vorbei. Sie stieg ab, zog ein
Gittertor auf und verschwand. Auf der anderen Straßenseite führte eine vermummte
Gestalt, ob Mann oder Frau, war nicht zu unterscheiden, einen Hund spazieren.
Sonst war die Straße leer, desgleichen die Telefonzelle. Dann gingen plötzlich
zwei Männer an ihm vorbei, die sich laut über Gott und Krieg unterhielten. Der
jüngere sprach die meiste Zeit und der ältere stimmte ihm zu, woraus Smiley
schloß, daß er der Professor sei.
    Er ging an
einem hohen Staketenzaun entlang, durch den Buschwerk quoll. Das Tor zu Nummer
fünfzehn hing windschief in den Angeln, nur einer der beiden Flügel wurde
benutzt. Er drückte, das Schloß war zerbrochen. Das Haus stand weit zurück,
die meisten Fenster waren erleuchtet. In einem der oberen Räume beugte sich ein
junger Mann über einen Schreibtisch. In einem anderen schienen zwei Mädchen zu
streiten, an einem dritten Fenster spielte eine Frau auf der Bratsche, aber er
konnte keinen Ton hören. Auch im Erdgeschoß waren die Fenster erleuchtet, aber
die Gardinen zugezogen. Der Vorplatz war gefliest, die Haustürfüllung aus
Buntglas, am Pfosten hing ein alter Zettel: Nach 23
Uhr nur Seiteneingang benutzen. Über den Klingeln weitere Zettel:
»Prince, 3 x klingeln«, Lumby 2 x«, »Buzz: bin den ganzen Abend weg, Gruß
Janet.« An der untersten Klingel stand »Sachs«, und dort klingelte er. Sofort
erscholl Hundegebell und die scheltende Stimme einer Frau.
    »Flush, du dummer Kerl, ist doch bloß einer von den Eselsbänklern.
Schluß jetzt, Flush. Flush!«
    Die Tür
ging einen Spalt auf, eine Sperrkette war vorgelegt; ein Körper zwängte sich in
den Türspalt. Während Smiley sich fieberhaft bemühte, zu sehen, wer sonst noch
im Haus sei, musterten ihn zwei schlaue Augen, feucht wie Babyaugen, schätzten
ihn ab, registrierten seine Aktenmappe und die verspritzten Schuhe, huschten
nach oben, um über seine Schultern hinweg die Auffahrt abzusuchen, und nahmen
ihn sich noch einmal im ganzen vor. Endlich erstrahlte das weiße Gesicht in
einem reizenden Lächeln, und Miß Connie Sachs, Ex-Königin der
Recherchen-Abteilung im Circus, gab ihrem spontanen Entzücken Ausdruck. »George
Smiley«, rief sie mit schüchtern verwehendem Lachen und zog ihn ins Haus. »Sie
lieber, netter Mensch, und ich dachte, Sie wollten mir einen Staubsauger
verkaufen und dabei ist es unser George!« Sie schloß hinter ihm schnell die
Tür. Sie war eine stattliche Frau, einen Kopf größer als Smiley. Wirres, weißes
Haar rahmte das zerfließende Gesicht. Sie trug einen braunen Blazer und Hosen
mit Gummizug um die Taille, und sie hatte einen Hängebauch wie ein alter Mann.
Im Kamin schwelte ein Koksfeuer. Katzen lagen davor, und ein räudiger grauer
Spaniel, bis zur Unbeweglichkeit verfettet, lungerte auf dem Sofa. Auf einem
Teewagen standen die Konservendosen, aus denen sie aß, und die

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