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Carre, John le

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Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dame Koenig As Spion (Smiley Bd 5)
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so ungewöhnlich, können Sie mir das sagen? Warum
hackt er auf mir herum? Ich will doch nichts als einen Platz am obersten Tisch.
Gott weiß, daß meine Qualifikation mich dazu berechtigt.« Mit obersten Tisch
meinte er die fünfte Etage. Die Kompetenzen, die Control ihm zugewiesen hatte
und die auf den ersten Blick höchst eindrucksvoll wirkten, gaben Alleline das
Recht, sämtliche Einsatzpläne zu überprüfen, ehe sie durchgeführt würden. Das
Kleingedruckte machte dieses Recht von der Zustimmung der betroffenen
Abteilungen abhängig, und Control sorgte dafür, daß es nicht so weit kam. Der
Dienstvertrag verpflichtete ihn zur »Koordinierung von Quellen und Schlichtung
regionaler Kompetenzstreitigkeiten«, eine Aufgabe, die Alleline später mit der
Einrichtung von London Station erfüllt hat. Aber die für Quellen zuständigen
Abteilungen, wie zum Beispiel die Aufklärer, die Fälscher, die Abhörer und die
Funker, weigerten sich, ihm Einblick zu gewähren, und er hatte keine
Möglichkeit, sie zu zwingen. Alleline darbte also, von Mittag an war sein Tisch
leer.
    »Ich bin
mittelmäßig, das ist der Grund, wie? Heutzutage muß jeder ein Genie sein, eine
Primadonna, kein Statist, und uralt obendrein.« Denn Alleline, obwohl man es
bei ihm leicht vergaß, war für den obersten Tisch ein noch junger Mann. Einen
Unterschied von acht und zehn Jahren konnte er gegen Haydon und Smiley ins
Treffen führen, und gegen Control noch mehr. Control war unerbittlich: »Percy
Alleline würde seine Mutter für einen Adelstitel verkaufen, und diese
Dienststelle für einen Sitz im Oberhaus.« Und später, als die niederträchtige
Krankheit ihn bereits befallen hatte: »Ich weigere mich, mein Lebenswerk einem
Paradepferd zu hinterlassen. Ich bin zu eingebildet, um auf Schmeicheleien
reinzufallen, zu alt, um ehrgeizig zu sein, und ich bin häßlich wie die Nacht.
Percy ist in allem das Gegenteil, und in Whitehall gibt es genügend
Tausendsassas, denen einer wie er mehr liegt als ich.«
    Womit
Control sich gewissermaßen selber den Fall Witchcraft auf Umwegen aufgehalst hatte.
    »George,
kommen Sie rein«, hatte Control eines Tages durch die Sprechanlage gebellt.
»Bruder Percy will mir das Messer auf die Brust setzen. Kommen Sie rein, oder
es gibt ein Blutbad.« Es war die Zeit, erinnerte sich Smiley, als ruhmlose
Krieger aus aller Herren Länder zurückkehrten. Roy Bland war soeben aus Belgrad
heimgeflogen, wo er mit Toby Esterhases Hilfe versucht hatte, die Reste eines
sterbenden Agentennetzes zu retten; Paul Skordeno, zu jener Zeit Nr. 1 in
Deutschland, hatte vor kurzem seinen besten sowjetischen Agenten in Ostberlin
verloren, und Bill selber war nach einer weiteren erfolglosen Reise zurück in
seinem Turmzimmer und wütete über die Pentagon-Arroganz, die Pentagon-Idioten,
die Pentagon-Lumpen; und behauptete, die Zeit sei gekommen, »sich lieber mit
den verdammten Russen zusammenzutun«.
    Und im
Hotel Islay war es nach Mitternacht, denn ein
verspäteter Gast klingelte an der Tür. Wofür Norman ihm zehn Silberlinge
abknöpfen wird, dachte Smiley. Mit einem Seufzer zog er den ersten Band der Witchcraft- Akten
heran, leckte bedächtig Zeigefinger und Daumen der rechten Hand und ging
daran, das amtliche Gedächtnis mit seinem eigenen zu verquicken.
    »Wie
besprochen«, schrieb Alleline nur ein paar Monate nach dieser Unterredung in
einem leicht hysterischen persönlichen Brief an Anns einflußreichen Vetter, den
Minister, der in Lacons Akte enthalten war.
    »Die Witchcraft-Berichte kommen sämtlich aus einer Quelle, die unbedingt äußerste Behutsamkeit
erfordert. Meiner Meinung nach wird keine der in Whitehall üblichen
Verteilermethoden diesem Fall gerecht. Depeschenkoffer, wie wir sie für gadfly benutzten,
erwiesen sich als ungeeignet, als Whitehall-Konsumenten die Schlüssel verloren
und, in einem besonders bedauerlichen Fall, ein überarbeiteter
Unterstaatssekretär seinem Mitarbeiter seinen Schlüssel überließ. Ich sprach
bereits mit Lilley vom Geheimdienst der Kriegsmarine, der bereit ist, uns im
Hauptgebäude der Admiralität einen eigenen Leseraum zu überlassen, wo das
Material den Konsumenten zur Verfügung gestellt und von einem dienstälteren
Aufsichtsbeamten dieser Dienststelle bewacht werden könnte. Der Leseraum wird
aus Sicherheitsgründen als Konferenzraum der Adriatic
Working Party oder kurz AWP bezeichnet. Zugelassene Konsumenten
erhalten keine Lesekarten, da hier zu leicht Mißbrauch getrieben

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