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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dame Koenig As Spion (Smiley Bd 5)
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zu viele regionale Intrigen, die von
oben gefördert werden.«
    »Wieder
eine Anspielung auf mich«, warf Control ein. »Teile und herrsche, lautet
heutzutage die Devise. Die Leute, die gemeinsam den Kommunismus bekämpfen
helfen sollten, liegen sich gegenseitig in den Haaren. Auf diese Weise
verlieren wir unsere wichtigsten Partner.«
    »Er meint
die Amerikaner«, kommentierte Control. »Wir verlieren unseren Elan. Unsere
Selbstachtung. Jetzt reicht's uns.« Er nahm den Bericht wieder an sich und
klemmte ihn unter den Arm. »Wir haben, genau gesagt, die Schnauze voll.«
    »Und wie
jeder, dem's reicht«, sagte Control, als Alleline geräuschvoll das Büro verließ,
»möchte er noch mehr.« Nun führten eine Weile, statt Smileys Erinnerungen,
Lacons Akten die Geschichte weiter. Es war typisch für die Atmosphäre der
letzten Wochen, daß Smiley, nachdem er anfangs mit einbezogen worden war, nie
wieder ein Wort über die weitere Entwicklung erfuhr. Control haßte
Fehlschläge, so wie er Kranksein haßte, und am meisten haßte er seine eigenen
Fehlschläge. Er wußte, wenn man einen Fehlschlag akzeptierte, mußte man mit ihm
leben; wenn eine Dienststelle nicht kämpfte, konnte sie nicht überleben. Er
verachtete die Agenten im Seidenhemd, die sich gewaltige Brocken aus dem Etat
unter den Nagel rissen, zum Schaden der Netze, die um ihr tägliches Brot
arbeiteten und in die er alle Hoffnung setzte. Er liebte den Erfolg, aber er
haßte Wunder, wenn sie alle seine übrigen Bemühungen in den Schatten stellten.
Er haßte Schwäche, wie er Gefühle und Religion haßte, und er haßte Percy
Alleline, der von beidem sein Gutteil abbekommen hatte. Seine Methode, sich mit
ihnen auseinanderzusetzen, bestand darin, daß er buchstäblich seine Tür davor
verschloß: sich in die schäbige Abgeschlossenheit seiner oberen Räume
zurückzog, keine Besucher empfing und sich alle Telefonanrufe durch die Mütter
verabreichen ließ. Die gleichen stillen Damen verabreichten ihm Jasmintee und
die zahllosen Dienstakten, die er in Stößen anforderte und zurückreichte.
Smiley sah sie ständig vor der Tür angehäuft, während er seinen eigenen
Obliegenheiten nachging und versuchte, den übrigen Circus in Schwung zu halten.
Viele waren uralt, aus den Tagen, ehe Control die Meute anführte. Einige waren
persönlich, die Lebensläufe früherer und gegenwärtiger Mitarbeiter.
    Control
sagte nie, womit er sich beschäftigte. Wenn Smiley die Mütter fragte, sogar
wenn Bill Haydon, der Lieblingssohn, antanzte und sich erkundigte, schüttelten
sie nur die Köpfe oder hoben die Brauen in Richtung auf das Allerheiligste:
»Endphase«, besagten diese sanften Blicke. »Wir hätscheln einen großen Mann am
Ende seiner Laufbahn.« Smiley jedoch, der nun geduldig Akte für Akte
durchblätterte und in einem Winkel seines komplexen Gedächtnisses Irinas
Tagebuch für Ricki Tarr rezitierte: Smiley wußte - und dieses Wissen war ihm
ein durchaus realer Trost -, daß er nicht als erster diese Forschungsreise
unternahm; daß Controls Geist ihn fast bis zu den letzten Stationen begleitete;
und vielleicht sogar über die ganze Strecke mitgegangen wäre, wenn die
Operation Testify ihn nicht in elfter Stunde
abgewürgt hätte.
     
    Wiederum
Frühstück, und ein sehr gedrückter Walliser, ohne jeden Appetit auf halbgare
Würste und zerkochte Tomaten. »Möchten Sie diese da zurückhaben«, fragte Lacon,
»oder sind Sie damit durch? Sie können nicht sehr aufschlußreich sein, denn sie
enthalten nicht einmal die Berichte.«
    »Heute
abend, bitte, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
    »Sie
wissen vermutlich selber, daß Sie wie ein Wrack aussehen.« Er wußte es nicht,
aber als er in die Bywater Street zurückkehrte, zeigte ihm Anns hübscher
Spiegel dort seine rotgeränderten Augen und die Furchen der Übermüdung in den
fleischigen Backen.
    Er schlief
ein bißchen, dann ging er wieder seine geheimnisvollen Wege. Als der Abend kam,
wartete Lacon bereits auf ihn. Smiley machte sich sogleich wieder an seine
Lektüre. Sechs Wochen lang hatte die Marinedepesche laut Akten offenbar keinen
Nachfolger. Andere Abteilungen des Verteidigungsministeriums stimmten in den
Lobgesang der Admiralität über die erste Depesche ein, das Auswärtige Amt
bemerkte, dieses Dokument »werfe ein entscheidend neues Licht auf das sowjetische
Aggressionsdenken«, was immer das heißen sollte; Alleline betonte immer wieder
seine Forderung nach Sonderbehandlung des Materials, aber er glich

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