Carre, John le
die
Sie für Danny und ihre Mutter gekauft hatten. Ihren eigenen aber behielten Sie,
weil Ihnen nichts anderes übrigblieb. Dann buchten Sie die Reise für die
beiden auf den Namen Poole, um jedermann zu überzeugen, daß Sie die Poole-Pässe
noch immer für verwendbar hielten. Mit jedermann meine ich Karlas Observanten,
ja? Sie haben die Schweizer Notpässe aufgetakelt, einen für Danny, einen für
ihre Mutter, im Vertrauen darauf, daß die Nummern nicht nachgeprüft würden, und
machten dann eine zweite Reservierung, diesesmal nicht in aller Öffentlichkeit.
Eine Reservierung für einen früheren Zeitpunkt als die der Damen Poole. Wie
war's damit? Die beiden würden in Ostasien bleiben, aber an einem anderen Ort,
zum Beispiel in Djakarta: irgendwo, wo Sie Freunde haben.«
Sogar von
seinem neuen Standplatz aus brauchte Guillam zu lange. Tarrs Hände schlossen
sich um Smileys Kehle, der Stuhl kippte um, und Tarr stürzte ebenfalls. Aus dem
Haufen suchte Guillam sich Tarrs Arm heraus und verdrehte ihn auf dem Rücken,
wobei er ihn beinah gebrochen hätte. Aus dem Nichts erschien Fawn, nahm die
Pistole vom Kopfkissen und ging wieder zu Tarr, als wolle er ihm helfen. Dann
zog Smiley seinen Anzug zurecht, und Tarr saß wieder auf dem Bett und betupfte
sich den Mund mit einem Taschentuch.
Smiley
sagte: »Ich weiß nicht, wo sie sind. Soviel ich weiß, ist ihnen nichts
geschehen. Sie glauben mir doch, nicht?« Tarr starrte ihn an und wartete. Seine
Augen waren weiß und voll Zorn, aber über Smiley hatte sich eine An Ruhe
gesenkt, und Guillam vermutete, daß er die erhoffte Bestätigung erhalten hatte.
»Sie sollten sich verdammt noch mal lieber um Ihre eigene Frau kümmern und
meine in Ruhe lassen«, flüsterte Tarr hinter vorgehaltener Hand. Mit einem
Aufschrei stürzte Guillam auf ihn zu, aber Smiley hielt ihn zurück.
»Solange
Sie nicht versuchen, sich mit ihnen in Verbindung zu setzen«, fuhr Smiley fort,
»ist es wahrscheinlich besser, wenn ich es nicht weiß. Es sei denn, Sie
möchten, daß ich irgend etwas für sie tue. Geld oder Schutz oder irgendeine
Hilfe?« Tarr schüttelte den Kopf. Er hatte Blut im Mund, eine ganze Menge, und
Guillam war klar, daß Fawn in geschlagen haben mußte, aber er hatte es nicht
gesehen.
»Es wird
nicht mehr lange dauern«, sagte Smiley. »Eine Woche vielleicht. Weniger, wenn
ich es machen kann. Versuchen Sie, nicht dauernd dran zu denken.«
Als sie
dann gingen, grinste Tarr wieder, woraus Guillam schloß, daß der Besuch oder
sein Ausfall gegen Smiley oder der Schlag ins Gesicht ihm gutgetan hatten.
»Diese
Fußball-Tippscheine«, sagte Smiley gelassen zu Fawn, als sie ins Auto
kletterten: »Sie geben sie doch nicht zur Post, oder?«
»Nein,
Sir.«
»Wir
können nur hoffen und beten, daß er keinen Treffer hat«, bemerkte Smiley in
einer höchst ungewöhnlichen Anwandlung von Scherzhaftigkeit, und alles lachte.
Das
Gedächtnis spielt einem erschöpften, überladenen Gehirn seltsame Streiche.
Während Guillam fuhr und ein Teil seines bewußten Denkens auf die Straße
gerichtet war und der andere sich mit zunehmend abstruseren Vermutungen über
Camilla herumschlug, zogen Bilder aus diesem und anderen langen Tagen unkontrolliert
durch seinen Kopf. Tage schieren Entsetzens in Marokko, als seine Agenten einer
um den anderen ausfielen, und er bei jedem Schritt, der auf der Treppe hörbar
wurde, ans Fenster stürzte und auf die Straße spähte; müßige Tage in Brixton,
als er diese armselige Welt draußen vorbeigleiten sah und sich fragte, wann er
wohl wieder zu ihr gehören werde. Und plötzlich lag der schriftliche Bericht
wieder vor ihm auf dem Schreibtisch: auf Blaupause abgezogen, weil er
überspielt worden war, Quelle unbekannt und wahrscheinlich unzuverlässig, und
jedes Wort stand in fußhohen Lettern vor ihm:
Nach
Aussage eines kürzlich aus Lubianka entlassenen Gefangenen hat die Zentrale
Moskau im vergangenen Juli im Hinrichtungsblock eine geheime Exekution
durchgeführt. Die Opfer waren drei ihrer eigenen Funktionäre. Eines war eine
Frau. Alle drei wurden durch Genickschuß liquidiert. »Er trug
den Stempel >international<«, sagte Guillam dumpf. Sie hatten auf einem
Platz neben dem Rasthaus geparkt, das mit bunten Glühbirnen behängt war.
»Irgendwer von London Station hatte daraufgekritzelt: Kann
jemand die Toten identifizieren?« Im farbenfrohen Schein der Lichter
sah Guillam, wie Smileys Gesicht sich vor Abscheu verzog.
»Ja«,
bestätigte er schließlich.
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