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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dame Koenig As Spion (Smiley Bd 5)
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veranstaltete von da an ein
Funkfeuerwerk, das ein heilloses Durcheinander stiftete.«
    Auch dies
sei ein Teil der Legende, sagte Smiley: Es sei Karlas Verdienst gewesen, daß
die Deutschen bei Yelnia ihre eigene Front unter Beschuß nahmen.
    »Und
zwischen diesen beiden Auftritten«, fuhr er fort, »also zwischen
sechsunddreißig und zweiundvierzig, besuchte Karla England, wir nehmen an, für
ein halbes Jahr. Aber noch heute wissen wir nicht - das heißt, weiß ich nicht -,
unter welchem Namen und welcher Tarnung. Was nicht heißen muß, daß Gerald es
nicht weiß. Aber Gerald wird es uns kaum erzählen, jedenfalls nicht absichtlich.«
    Smiley
hatte noch nie so mit Guillam gesprochen. Er hielt nichts von Vertraulichkeiten
oder langen Vorträgen; Guillam kannte ihn als einen bei aller Eitelkeit sehr
schüchternen Menschen, der sich wenig von einem Meinungsaustausch versprach.
»'48 wurde Karla, der seinem Land stets loyal gedient hatte, ns Gefängnis
geschickt und anschließend nach Sibirien. Das Ganze hatte nichts mit seiner
Person zu tun. Er gehörte nur zufällig zu einer der roten Abwehrgruppen, die
der einen oder anderen Säuberungsaktion zum Opfer fielen.«
    Und mit
Sicherheit sei er, fuhr Smiley fort, nach Stalins Tod und seiner
Rehabilitierung nach Amerika gegangen, denn als die indischen Behörden ihn im
Sommer '55 unter dem vagen Vorwand eines Verstoßes gegen die
Einwanderungsbestimmungen festgenommen hatten, war er gerade aus Kalifornien
gelandet. Der Circus-Klatsch brachte ihn später mit den großen
Hochverrats-Skandalen in England und den Vereinigten Staaten in Verbindung.
Smiley wußte es besser: »Karla war wieder in Ungnade gefallen. Moskau lechzte
nach seinem Blut, und wir dachten, wir könnten ihn jetzt auf unsere Seite
bringen. Deshalb flog ich nach Delhi. Um mich mit ihm zu unterhalten.«
    Er schwieg
eine Weile, als der müde Junge herübergeschlurft kam und sich erkundigte, ob
alles nach Wunsch sei. Smiley bejahte die Frage pflichtschuldigst.
    »Die
Geschichte meiner Begegnung mit Karla«, fuhr er fort, »ist typisch für die
Stimmung der damaligen Zeit. In den fünfziger Jahren war die Moskauer Zentrale
am Boden zerstört. Ranghohe Beamte wurden aus unerfindlichen Gründen erschossen
oder ausgemerzt, und bei den unteren Chargen wütete der Massenwahnsinn. In
der Folge liefen die im Ausland stationierten Beamten der Zentrale scharenweise
über. Aus der ganzen Welt, Singapur, Nairobi, Stockholm, Canberra, Washington
und was weiß ich sonst noch, bekamen wir den gleichen stetigen Zulauf von den
Außenstellen geschickt: nicht direkt die großen Fische, aber die Kuriere,
Fahrer, Chiffreure, Stenotypistinnen. Irgendwie mußten wir reagieren - ich glaube,
niemand macht sich je klar, in welchem Maß die Industrie selber ihre Inflation
anheizt -, und im Handumdrehen wurde ich eine Art Handlungsreisender, flog an
einem Tag in eine Metropole, am nächsten zu einem gottverlassenen Grenzkaff und
einmal sogar zu einem Schiff auf hoher See, um Abschlüsse mit abtrünnigen
Russen zu machen. Um die Spreu vom Weizen zu scheiden, die Bedingungen
festzulegen, für Desinformation und eventuelle Verwendung zu sorgen.« Guillam
beobachtete ihn unablässig, aber selbst unter dem gnadenlosen Neonlicht
verrieten Smileys Züge nichts als leicht bemühte Konzentration. »Wir hielten
für Leute, deren Geschichten Hand und Fuß hatten, sozusagen drei Arten von
Verträgen bereit. Hatte der Klient nichts Interessantes zu bieten, so verhökerten
wir ihn an ein anderes Land und Schwamm drüber. Auf Vorrat kaufen, nennt man
das wohl, so wie es die Skalpjäger heute machen. Oder wir spielten ihn wieder
nach Rußland zurück: Vorausgesetzt, daß sein Verrat dort noch nicht bekannt
war. Und wenn einer Glück hatte, dann nahmen wir ihn; holten alles aus ihm
heraus, was er wußte, und setzten ihn neu ein. Im allgemeinen entschied London
darüber. Nicht ich. Aber bedenken Sie eins: Damals war Karla - oder Gerstmann,
wie er sich nannte - nur einer von vielen Klienten. Ich habe seine Geschichte
von rückwärts erzählt. Es sollte keine Geheimnistuerei sein, Sie müssen sich
vielmehr jetzt, bei allem, was zwischen uns vorging oder besser gesagt nicht
vorging, stets vor Augen halten, daß ich und alle anderen im Circus lediglich
wußten: ein Mann, der sich Gerstmann nannte, installierte eine Richtfunk-Brücke
zwischen Rudnew, dem Chef der illegalen Netze in der Moskauer Zentrale, und
einem von der Zentrale gesteuerten Apparat, der

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