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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Smileys Leute oder Agent in eigener Sache (Smiley Bd 7)
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eine total unrealistische Basis für ein Unternehmen dieses Ausmaßes . . .<
Wo waren Sie übrigens damals? In Berlin, nicht wahr?«
    »Hongkong.«
    »Ach, dort«, sagte sie vage und
sank in ihrem Stuhl zusammen, während ihre Lider sich nahezu schlossen.
     
    Smiley hatte Hilary gebeten, Tee zu
machen, und sie klapperte am anderen Ende des Zimmers mit dem Geschirr. Er warf
einen Blick zu ihr hinüber, weil er überlegte, ob er sie nicht rufen sollte und
sah sie genauso dastehen, wie er sie zuletzt im Circus gesehen hatte, in jener
Nacht, als er zu Hilfe gerufen wurde - stocksteif, die Fingerknöchel der
geballten Fäuste auf den Mund gepreßt, um einen lautlosen Schrei zu ersticken.
Er hatte noch gearbeitet - es war um etwa diese Zeit gewesen; ja, er hatte
seine Abreise nach Hongkong vorbereitet-, als plötzlich sein Haustelefon
klingelte und er eine sehr erregte Männerstimme hörte, die ihn bat,
unverzüglich in den Chiffrierraum zu kommen, Mr. Smiley, Sir, es ist dringend.
Sekunden später eilte er einen kahlen Korridor entlang, flankiert von zwei
besorgten Wachposten. Sie stießen die Tür vor ihm auf, er trat in den Raum, sie
blieben draußen. Er sah die zertrümmerten Apparate, die Akten und Karteikarten
und Telegramme auf dem Boden verstreut wie Abfall auf einem Fußballplatz, er
sah die obszönen Graffiti mit Lippenstift an die Wand geschmiert. Und in der
Mitte des Ganzen sah er Hilary, die Täterin -genau, wie sie jetzt dastand -,
verzweifelt durch die dicken Netzgardinen in den freien weißen Himmel
hinausstarren: Hilary, unsere Vestalin, so wohlerzogen; Hilary, unsere
Circus-Braut.
    »Was zum Teufel treibst du, Hils?«
fragte Connie barsch aus ihrem Schaukelstuhl.
    »Tee machen, Con. George möchte
eine Tasse Tee.«
    »Zum Teufel damit, was George möchte«,
gab sie zornglühend zurück. »George ist fünfte Etage. George hat den
Kirow-Fall abgeblasen, und jetzt möchte er's wieder gut machen, im Alleingang,
auf seine alten Tage. Stimmt's, George? Stimmts's? Lügt mich sogar an über
diesen alten Teufel Wladimir, der in Hampstead Heath geradewegs in eine Kugel
marschierte, wie die Zeitungen vermelden, aber die liest er anscheinend nicht,
so wenig, wie meine Berichte!«
    Sie tranken den Tee. Ein Regenguß
setzte ein. Die ersten harten Tropfen hämmerten bereits auf das Holzdach.
     
    Smiley hatte sie bezaubert, Smiley
hatte ihr geschmeichelt, Smiley hatte bewirkt, daß sie weitermachte. Schon
hatte sie den Faden halbwegs ausgesponnen. Er war entschlossen, daß sie ihn
bis zum Ende ausspinnen müsse.
    »Ich muß das Ganze haben, Con«,
wiederholte er. »Ich muß alles und jedes hören, so, wie Sie sich daran
erinnern, auch wenn das Ende schmerzlich ist.«
    »Das Ende ist verdammt schmerzlich«,
erwiderte sie. Doch schon erlahmten ihre Stimme, ihr Gesicht, sogar die Brillanz
ihres Gedächtnisses, und er wußte, daß es ein Wettlauf gegen die Zeit sein
werde.
    Jetzt sei Kirow an der Reihe
gewesen, die klassische Karte auszuspielen, sagte sie müde. Beim nächsten
Zusammentreffen, einen Monat später in Brüssel, kam Kirow auf die Sache mit der
Waffenlieferung nach Israel zu sprechen und sagte, er habe sie beiläufig
einem guten Bekannten gegenüber erwähnt, einem seiner Kollegen in der
Handelsabteilung der Botschaft, der an einer Studie über die israelische
Verteidigungsfinanzierung mitarbeite und für seine Recherchen sogar über einen
Spezialfonds verfügen könne. Ob Leipzig gegebenenfalls bereit wäre - nein, ganz
im Ernst, Otto! -, mit dem Mann zu sprechen oder, noch besser, seinem alten
Kumpel Oleg die Geschichte gleich hier und jetzt zu erzählen und Oleg damit
auch eine kleine Anerkennung zu verschaffen? Otto sagte: »Vorausgesetzt, es
lohnt sich und schadet niemandem.« Dann verpaßte er Oleg einen Haufen wertloser
Informationen, die Connie und die Leute von der Nahost-Abteilung vorbereitet
hatten - selbstverständlich alles wahr und absolut stichhaltig, auch wenn
niemand etwas damit anfangen konnte -, und Kirow schrieb feierlich alles auf,
obgleich beide, wie Connie sagte, genau wußten, daß weder Kirow noch sein Auftraggeber,
wer immer das sein mochte, das geringste Interesse an Israel hatten oder an
Waffen oder an Lieferungen oder an der israelischen Verteidigungsfinanzierung-
jedenfalls nicht in diesem Zusammenhang. Kirow lag lediglich daran, eine
konspirative Beziehung herzustellen, wie ihre nächste Begegnung in Paris klar
bewies. Kirow bekundete gewaltige Begeisterung über den

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