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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krieg im Spiegel (Smiley Bd 4)
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nach halb sechs, und die Kneipen machten auf.
Als er am Kiosk neben dem Eingang vorbeikam, sagte der Manager: »Ich kenne ein
Mädchen, das sich gerne einen netten Abend macht. Sehr jung.«
    »Nein,
danke.«
    »Zweieinhalb
Pfund; sie hat Ausländer gern. Sie macht es Ihnen ausländisch, wenn Sie wollen.
Französisch.«
    »Hauen Sie ab.«
    »Sie haben's notwendig, mir das zu
sagen.«
    »Hauen Sie ab.« Leiser ging noch
einmal zurück, und seine kleinen Augen funkelten plötzlich. »Wenn Sie mir das
nächste Mal ein Mädchen anbieten, dann was Englisches, verstanden?«
    Die Luft
war jetzt milder. Der Wind hatte sich gelegt und die Straße war leer: der
Betrieb hatte sich nach drinnen verlagert. Die Frau hinter der Bar sagte: »Kann
Ihnen jetzt nichts mixen, mein Lieber, nicht ehe der Rummel vorbei ist. Sie
sehen's ja selbst.«
    »Ich
trinke aber nichts anderes.«
    »Tut mir
leid, mein Lieber.«
    Er
bestellte Gin und Wermuth. Das Getränk war lauwarm und ohne Kirsche. Das Gehen
hatte ihn ermüdet. Er saß auf der langen Polsterbank, die an der Wand
entlanglief, und sah einer Runde von vier Männern zu, die Wurfpfeile in das an
der Wand hängende Zielbrett schleuderten. Sie spielten, ohne ein Wort zu sagen,
aber mit tiefer Hingabe, als seien sie sich bewußt, irgendeine rituelle
Handlung auszuüben. Es war beinahe wie im Filmklub. Als einer von ihnen zu
einer Verabredung mußte, riefen sie Leiser zu: »Machen Sie den Vierten?«
    »Gerne.«
Er war froh, daß ihn jemand angesprochen hatte, und stand auf. Aber im gleichen
Augenblick kam ein Bekannter der drei herein, ein Mann namens Henry, und der
spielte an seiner Stelle. Leiser war nahe daran, einen Streit zu beginnen, aber
es schien ihm dann doch keinen Zweck zu haben. Auch Avery war allein
ausgegangen. Zu Haldane hatte er gesagt, er mache einen Spaziergang, zu
Johnson, er gehe ins Kino. Avery hatte eine Art zu lügen, die sich Vernunftsgründen
entzog. Es trieb ihn einfach zu den alten, von früher her vertrauten Orten
zurück: zu seinem College, zu den Buchläden, Kneipen und Bibliotheken. Das
Semester ging gerade zu Ende. Oxford roch irgendwie weihnachtlich und trug dem
Anlaß mit zimperlicher Bosheit Rechnung, indem es seine Schaufenster mit dem
Flitter vergangener Weihnachten schmückte.
    Er ging
die Banbury Road bis zu der Straße hinunter, in der er und Sarah im ersten Jahr
ihrer Ehe gewohnt hatten. Die Fenster der Wohnung waren dunkel. Während er vor
dem Haus stand, versuchte er zuerst hinter den Mauern und dann in sich selbst
eine Spur von Gefühl, Zuneigung, Liebe oder sonst etwas zu finden, das ihre
Heirat gerechtfertigt hätte, aber er konnte nichts finden und nahm an, daß es
nie etwas Derartiges gegeben hatte. Er suchte verzweifelt, wollte verstehen,
was ihn bewegt hatte; aber er fand nichts: er starrte ein leeres Haus an. Er
eilte heim, dorthin, wo Leiser wohnte.
    »Guter
Film?« fragte Johnson. »Sehr nett.«
    »Ich dachte, Sie wollten Spazierengehen«,
sagte Haldane vorwurfsvoll und sah vom Kreuzworträtsel auf. »Ich hab' mir's
anders überlegt.«
    »Übrigens«, sagte Haldane, »was
Leisers Pistole betrifft: er scheint die Drei-acht besonders zu schätzen.«
    »Ja. Jetzt wird sie
Neun-Millimeter genannt.«
    »Nach seiner Rückkehr sollte er
beginnen, sie bei sich zu tragen.
    Natürlich
ungeladen.« Er warf einen Blick auf Johnson. »Besonders wenn er mit dem
Funkkurs beginnt. Gleich von Anfang an. Er muß sie die ganze Zeit über bei sich
haben. Wir wollen ihn dazu bringen, daß er sich ohne sie verloren fühlt. Ich
habe eine besorgen lassen. Sie werden sie in Ihrem Zimmer finden, Avery, mit
verschiedenen Halftern. Vielleicht erklären Sie es ihm, bitte?«
    »Wollen
Sie es ihm nicht selbst sagen?«
    »Das
machen besser Sie. Sie kommen so gut mit ihm aus.«
    Avery ging
hinauf, um Sarah anzurufen. Sie war zu ihrer Mutter gezogen. Es war ein sehr
steifes Gespräch.
    Leiser
wählte Bettys Nummer, aber er bekam keine Antwort.
    Erleichtert
ging er in einen billigen Juwelierladen neben dem Bahnhof, der auch am
Samstagnachmittag geöffnet war, und kaufte einen goldenen Anhänger für ihr
Armband: eine Kutsche mit Pferden. Er kostete elf Pfund - genau die Summe, die
er als Tagegeld erhalten hatte. Er bat den Verkäufer, den Anhänger eingeschrieben
an ihre Adresse in South Park zu schicken. Er legte einen Zettel mit folgenden
Worten bei: »Bin in zwei Wochen zurück. Sei brav!« Nachdem er schon gedankenlos
mit »F. Leiser« unterschrieben hatte, strich er es

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