Carre, John le
Capito?«
Als
Geliebte glich sie einem Schmetterling: hätte Chinesin sein können, dachte er.
Schwerelos, niemals in Ruhe, so schutzlos - es war zum Verzweifeln. Als die
Leuchtkäfer flogen, knieten sie beide auf dem Fenstersims und beobachteten sie,
und Jerry dachte an den Fernen Osten. Die Zikaden schrillten und die Frösche
rülpsten und die Leuchtkäfer schwirrten unermüdlich rings um eine schwarze
Kernzone, und die beiden knieten nackt eine Stunde und mehr, schauten und
lauschten, während der heiße Mond in die Hügelkämme sank. Sie sprachen dabei
niemals, trafen auch keine Entscheidungen, jedenfalls er nicht. Aber er schloß
seine Tür jetzt nie mehr ab.
Die Musik
und das Hämmern hatten aufgehört, dafür setzte lärmender Glockenklang ein, das
Vesperläuten, wie er vermutete. Das Tal war niemals still, aber wegen des Taus
hörte man die Glocken lauter. Er schlenderte hinüber zum angebundenen Ball,
nestelte die Schnur von dem Eisenpfahl, dann mähte er mit seinem alten
Wildlederstiefel das Gras ringsum und dachte an ihren geschmeidigen kleinen
Körper, der bei jedem Schlag mitflog, und an die Mönchskutte, die sich im Wind
blähte. »Guardian ist das große Wort«, hatten sie
ihm gesagt. »Guardian bedeutet den Weg zurück«, hatten
sie gesagt. Jerry verhielt noch eine Weile und blickte hinunter auf die blaue
Ebene, wo der wirkliche Weg, kein bildlicher, glänzend und schnurgerade wie ein
Kanal zur Stadt und zum Flugplatz führte. Jerry war keineswegs das, was er
einen Denker genannt hätte. Das Gebrüll des Vaters hatte seine ganze Kindheit
begleitet und ihn beizeiten gelehrt, was von großen Ideen und von großen Worten
zu halten war. Vielleicht hatte das ihn zuerst mit dem Mädchen verbunden,
dachte er. Darum ging es ihr: »Ich will nichts, was ich nicht tragen kann.«
Vielleicht.
Vielleicht auch nichts Sie wird einen anderen finden. Sie finden immer einen
anderen.
Es ist Zeit, dachte er.
Geld verbraucht, Rorrjan Fehlanzeige, Mädchen zu jung: mach schon. Es ist Zeit. Zeit
wofür?
Zeit!
Zeit, daß sie sich einen jungen Bullen suchte, anstatt einen alten auszupowern.
Zeit, daß die Wanderlust sich regte. Lager abbrechen. Die Kamele wecken.
Weiter. Jerry hatte es weiß Gott schon ein paarmal getan. Das alte Zelt aufgeschlagen,
eine Weile geblieben, weitergezogen: tut mir leid, altes Haus. Es ist ein
Befehl, sagte er sich. Mein ist das Denken, spricht der Herr. Signal ertönt.
Sprung auf, marsch, marsch. Keine Widerrede. Guardian.
Trotzdem,
komisch, er hatte es kommen sehen, dachte er und starrte noch immer hinaus auf
die dunstverhüllte Ebene. Keine großartige Ahnung oder dergleichen Humbug:
einfach, ja, ein Gefühl, daß es Zeit sei. Fällig. Reif. Aber anstatt einer
fröhlichen Aufwallung von Tatendrang überkam seinen ganzen Körper tiefe
Lethargie. Er fühlte sich plötzlich zu müde, zu fett, zu schläfrig, um sich
jemals wieder vom Fleck zu bewegen. Er hätte sich am liebsten hingelegt, wo er
stand. Er hätte auf dem harten Gras schlafen können, bis sie ihn geweckt hätte
oder bis die Nacht gekommen wäre.
Humbug,
schalt er sich. Schierer Humbug. Er zog das Telegramm aus der Tasche, schritt
energisch ins Haus und rief ihren Namen. »Heh! Altes Haus! Wo steckst du?
Schlechte Nachrichten.« Er reichte ihr das Telegramm. »Aus der Traum«, sagte er
und ging zum Fenster, damit er ihr nicht beim Lesen zusehen mußte. Er wartete,
bis er das Papier flattern und auf dem Tisch landen hörte. Dann drehte er sich
um, denn es erfolgte nichts weiter. Sie hatte nichts gesagt, aber sie hatte die
Hände unter die Achselhöhlen geklemmt und ihre Körpersprache konnte manchmal
ohrenbetäubend sein. Er sah die Finger blindlings herumfuchteln auf der Suche
nach einem Halt.
»Geh doch
auf eine Weile zu Beth rüber«, schlug er vor. »Beth nimmt dich sofort. Hat dich
schrecklich gern. Bei Beth kannst du bleiben, so lang du willst.«
Sie blieb
mit gekreuzten Armen stehen, bis er hinunterging, um sein Telegramm
abzuschicken. Als er wiederkam, hatte sie seinen Anzug hergerichtet, den
blauen, über den sie immer gelacht hatten - seine Gefängniskluft nannte sie ihn
-, aber sie zitterte und ihr Gesicht sah weiß und krank aus, wie damals bei der
Sache mit den Hornissen. Als er sie küssen wollte, war sie kalt wie Marmor,
also gab er es auf. In der Nacht schliefen sie zusammen, und es war schlimmer
als Alleinsein.
Am
nächsten Mittag verkündete Mamma Stefano atemlos die Neuigkeit. Der adelige
Schuljunge sei
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