Carre, John le
und sie lachten beide herzhaft.
Ach der
Ferne Osten, sagte die Postmeisterin mit tragischem Kopfneigen - ein Krieg nach
dem anderen, warum griff der Papst nicht ein? Während Mamma Stefano in dieser
Tonart fortfuhr, schien der Sanders etwas einzufallen. Zuerst lächelte sie nur
ein wenig, dann immer mehr. Das Lächeln der Verbannten, dachte die
Postmeisterin, die sie nicht aus den Augen ließ: wie ein Matrose, der ans Meer
denkt.
»Er hat
früher immer einen Sack voller Bücher mit sich herumgeschleppt«, sagte die
Sanders. »Wir sagten damals, er hat sie aus den besten Häusern geklaut.«
»Er trägt
ihn immer noch rum!« rief die Postmeisterin, und sie erzählte, wie Guido im
Wald der Contessa auf den Schuljungen gestoßen war, der lesend auf einem
Holzstoß saß.
»Ich
glaube, er wollte eigentlich einmal Romane schreiben«,
fuhr die Sanders im gleichen Ton privater Erinnerungen fort: »Ich erinnere
mich, daß sein Vater es uns sagte. Er war furchtbar wütend.
Brüllte durch das ganze Haus.«
»Der
Schuljunge? Der Schuljunge war wütend?« rief Mamma Stefano
ungläubig.
»Nein,
nein. Der Vater.« Die Sanders lachte laut. In der englischen
Gesellschaftsordnung, erklärte sie, rangierten die Romanschreiber sogar noch
unter den Journalisten. »Malt er auch noch immer?«
»Malen? Er
ist Maler?« staunte die Postmeisterin. Er hat's versucht, sagte die Sanders,
aber der Vater hat auch das verboten. Maler seien die allerniedrigsten Geschöpfe,
sagte sie unter erneutem Lachen: nur die erfolgreichen wurden widerstrebend
geduldet.
Kurz nach
diesem Mehrfachzünder berichtete der Dorfschmied - der gleiche Dorfschmied, den
die Waise als Ziel für ihren Krug ausersehen hatte -, er habe Jerry und das
Mädchen im Gestüt der Sanders gesehen, zuerst zweimal in einer Woche, dann
dreimal, sie hätten auch dort gegessen. Und daß der Schuljunge großen
Pferdeverstand gezeigt habe, die Tiere hätten sich von ihm ohne weiteres führen
und longieren lassen, auch die wildesten. Die Waise beteiligte sich nicht,
sagte der Dorf schmied. Sie saß mit der Knäbin im Schatten und las entweder
etwas aus dem Büchersack oder beobachtete ihn mit ihren eifersüchtigen, starren
Augen; sie wartete, wie jedermann wußte, auf den Tod des Vormunds. Und heute
das Telegramm! Jerry hatte Mamma Stefano schon von weitem gesehen. Es war sein
Instinkt, etwas in ihm schien immer zu beobachten: eine schwarze Gestalt, die
unerbittlich den staubigen Pfad hinaufhumpelte wie ein lahmer Käfer; durch das
exakte Streifenmuster aus Sonne und Schatten, das die Zedernreihen warfen; das
ausgetrocknete Bachbett von Francos Olivenhainen hinan, querbeet durch Jerrys
Klein-Italien, wie er es nannte, ganze zweihundert Quadratmeter, aber groß
genug, um an kühlen Abenden, wenn er und die Waise sportliche Anwandlungen
hatten, einen zerfledderten Tennisball an einer Schnur um einen Pfahl zu
treiben. Er hatte sehr bald schon den blauen Umschlag gesehen, den sie
schwenkte, und er hatte sogar das Miauen gehört, das sie ausstieß und das sich
gegen die übrigen Geräusche aus dem Tal durchsetzte: die Lambrettas und die
Kreissägen. Und, ohne im Tippen innezuhalten, warf er zunächst einen
verstohlenen Blick auf das Haus, um sich zu versichern, daß das Mädchen das
Küchenfenster als Schutz vor Hitze und Insekten geschlossen hatte. Dann lief
er, genau wie die Postmeisterin es später beschrieb, mit einem Glas Wein in der
Hand die Stufen herunter auf sie zu, um sie nicht zu nah herankommen zu lassen.
Er las das
Telegramm langsam, einmal, beugte sich darüber, damit die Schrift im Schatten
liege, und sein Gesicht, das von Mamma Stefano genau beobachtet wurde, nahm
einen finsteren, verschlossenen Ausdruck an, und seine Stimme wurde noch
rauher, als er ihr die riesige fleischige Hand auf den Arm legte. »La sera«, brachte er zustande, während er sie wieder zum Weg zurückgeleitete. Er
wollte die Antwort heute Abend absenden, meinte er. »Molto
grazie, Mamma. Super. Bin Ihnen sehr dankbar. Ganz schrecklich.«
Noch beim
Verabschieden schnatterte sie wie wild, bot ihm jede nur denkbare Hilfe an,
Taxis, Gepäckträger, Telefonanrufe beim Flugplatz, und Jerry tastete zerstreut
seine Hosentaschen nach kleinen oder großen Münzen ab: er hatte offenbar
vorübergehend vergessen, daß die Waise jetzt das Geld verwaltete. Der
Schuljunge habe die Nachricht mit Fassung entgegengenommen, berichtete die
Postmeisterin dem Dorf. Leutselig, er habe sie sogar ein Stück
Weitere Kostenlose Bücher