Carre, John le
Dünen,
überwachsen von hohen Büschen und Palmen wie Schwertklingen. Der Colonel hielt
die Hände trichterförmig vor den Mund und brüllte etwas, bis ein Antwortruf
kam.
»Ich lernte das im Dschungel«, erklärte er und lächelte wieder. »Wenn
man im Dschungel ist, immer zuerst rufen.«
»Was für ein Dschungel war das?« fragte Jerry. »Bleiben Sie jetzt bitte
dicht bei mir. Lächeln Sie, wenn Sie mit mir sprechen. Man muß Sie sehr
deutlich sehen können.« Sie hatten einen kleinen Fluß erreicht. Am Ufer hackten
hundert oder mehr Männer, einige sogar noch jünger als der Junge, stumpfsinnig,
mit Piken und Spaten auf die Felsen ein oder wuchteten Zementsäcke von einem
hohen Haufen auf einen anderen, wobei eine Handvoll bewaffneter Polizisten
lässig zusah. Der Colonel rief den Jungen herbei und sagte etwas zu ihm, und
der Junge senkte den Kopf, und der Colonel versetzte ihm eine schallende
Ohrfeige. Der Junge murmelte etwas, und der Colonel schlug nochmals zu, dann
klopfte er ihm auf die Schulter, worauf der Junge wie ein freigelassener, aber
verkrüppelter Vogel davonschusselte, um sich der Arbeitskolonne anzuschließen.
»Wenn Sie über KTs schreiben, schreiben Sie auch über meinen Damm hier«, befahl
der Colonel, während sie sich auf der Rückweg machten. »Wir machen hier schönes
Weideland. Es wird nach mir benannt.«
»In welchem Dschungel haben Sie gekämpft?« wiederholte Jerry, als sie
zurückgingen.
»Laos. Sehr schwere Kämpfe.«
»Als Freiwilliger?«
»Klar. Ich habe Kinder, brauche das Geld. Gehe zu PARU! Schon von PARU
gehört? Haben die Amerikaner aufgezogen und befehligt. Ich schreibe einen
Brief, daß ich aus der Thai-Polizei austrete. Liegt in einer Schublade bei
ihnen. Wenn ich umkomme, holen sie den Brief heraus als Beweis, daß ich
ausgetreten bin, bevor ich zu PARU ging.«
»Haben Sie dort auch Ricardo kennengelernt?«
»Klar. Ricardo mein Freund. Haben zusammen gekämpft, eine Menge Feinde
erschossen.«
»Ich möchte ihn besuchen«, sagte Jerry. »Ich habe in Saigon eines
seiner Mädchen getroffen. Sie sagte mir, er hat hier in der Gegend ein Haus.
Ich möchte ihm ein Geschäft vorschlagen.« Sie kamen wieder an den Frauen
vorüber. Der Colonel winkte ihnen zu, aber sie reagierten nicht. Jerry
beobachtete seine Miene, aber er hätte ebensogut einen Felsblock hinten auf den
Dünen beobachten können. Der Colonel stieg in den Jeep. Jerry sprang nach ihm
hinein.
»Ich dachte, vielleicht könnten Sie mich zu ihm bringen. Ich könnte ihn
sogar für ein paar Tage reich machen.«
»Ist es für Ihre Zeitung?«
»Es ist privat.«
»Sie wollen ihm ein privates Geschäft vorschlagen?« fragte der Colonel.
»Stimmt.«
Als sie zur Hauptstraße zurückfuhren, kamen ihnen zwei gelbe
Zementmixerwagen entgegen, und der Colonel mußte zurücksetzen, um sie
vorbeizulassen. Jerry las automatisch den Namen, der an die gelben Seitenwände
aufgemalt war. Dabei bemerkte er, daß der Colonel ihn aus den Augenwinkeln
beobachtete. Sie fuhren weiter ins Landesinnere, so schnell, wie der Jeep es
schaffte, um allen üblen Absichten, die unterwegs auf sie lauern mochten,
zuvorzukommen. Mickey folgte getreulich. »Ricardo ist mein Freund, und das hier
ist mein Bezirk«, wiederholte der Colonel in tadellosem Amerikanisch. Die
Feststellung war, obgleich bereits-bekannt, diesmal eine ausdrückliche
Warnung. »Er lebt hier unter meinem Schutz, das haben wir vereinbart. Jeder
hier weiß es. Die Dörfler wissen es, die KTs wissen es. Niemand tut Ricardo
etwas, oder ich erschieße jeden KT auf dem Damm.«
Als sie von der Hauptstraße wieder auf den Feldweg einbogen, sah Jerry
die leichten Rutschspuren eines kleines Flugzeugs auf dem Teer eingeprägt.
»Landet er hier?«
»Nur in der Regenzeit«, fuhr der Colonel fort und blieb bei der
Erläuterung seiner ethischen Position in dieser Angelegenheit. »Wenn Ricardo
Sie tötet, ist das seine Sache. Ein farang erschießt einen anderen farang in meinem Bezirk, das ist natürlich.« Er sagte es, als erklärte er
einem Kind das kleine Einmaleins. »Ricardo ist mein Freund«, wiederholte er
ohne Verlegenheit. »Mein Kamerad.«
»Erwartet er mich?«
»Bitte seien Sie rücksichtsvoll. Captain Ricardo ist zeitweise ein
kranker Mann.«
Tiu bringt ihn unter, hatte Charlie
Marshall gesagt, an einem Ort, wo
nur Verrückte hingehen. Tiu sagt zu ihm »Sie bleiben am Leben, Sie behalten das
Flugzeug, Sie schmuggeln Waffen für Charlie Marshall, jederzeit, befördern
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