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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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und Jerry entsprach dieser
Vorstellung -, war ein Mann, der nicht lang faselte, der seine Arbeit liebte
und wußte - obwohl er um Himmels willen kein großes Trara darum machen sollte
-, daß wir recht
haben. Wobei wir ein
notwendigerweise dehnbarer Begriff ist, aber für Jerry bedeutete er George und
damit basta.
    Alter
George. Super. Guten Morgen.
    Er sah ihn
vor sich, so, wie er sich am liebsten an ihn erinnerte: bei ihrer ersten
Begegnung in Sarratt kurz nach dem Krieg. Jerry war noch ein untergeordneter
Dienstgrad bei der Army, - seine Dienstzeit war fast abgelaufen, Oxford drohte,
und er langweilte sich tödlich. Es war ein Kursus für Gelegentliche: für Leute,
die schon kleine Proben ihrer Geschicklichkeit geliefert hatten, ohne formell
auf die Gehaltsliste des Circus zu kommen und als Reservetruppe geschliffen
wurden. Jerry hatte sich bereits um eine reguläre Anstellung beworben, aber die
Personalabteilung des Circus hatte ihn abgelehnt, was seine Stimmung auch nicht
gerade hob. Als daher Smiley mit Wintermantel und Brille in die ölbeheizte
Unterrichtsbaracke gewatschelt kam, hatte Jerry innerlich einen Seufzer
ausgestoßen und sich auf weitere fünfzig Minuten gähnender Langeweile gefaßt
gemacht - auf geeignete Plätze für tote Briefkästen vermutlich - anschließend
einen geheimen Streifzug durch die Umgebung von Rickmannsworth, bei dem es
galt, hohle Baumstämme auf Friedhöfen auszumachen. Es gab große Heiterkeit, als
die Hausverwaltung sich abmühte, das Lesepult niedriger zu schrauben, damit
George darüber wegsehen könne. Schließlich stellte er sich ein bißchen nervös
daneben und erklärte, sein Thema heute nachmittag laute: »Probleme der Führung
von Kurierverbindungen innerhalb feindlichen Territoriums«. Langsam dämmerte
es Jerry, daß Smiley nicht aus Büchern lehrte, sondern aus Erfahrung: daß
dieser eulenhafte kleine Pedant mit der schüchternen Stimme und der
zwinkernden, wie um Entschuldigung bittenden Erscheinung drei Jahre in einer
deutschen Provinzstadt durchgehalten hatte, die Fäden eines sehr bedeutenden Netzes
in der Hand, während er ständig darauf wartete, daß ein Stiefel durch die
Türfüllung fahren oder ein Pistolenknauf auf sein Gesicht niedersausen würde
und er die Freuden eines Verhörs genießen dürfte. Als der Vortrag vorbei war,
wollte Smiley ihn sprechen. Sie trafe sich in der Ecke eines leeren Lokals,
unter den Hirschgeweihen, wo die Scheiben für das Pfeilwerfen hingen.
     »Es tut
mir so leid, daß wir Sie nicht nehmen konnten«, sagte Smiley. »Ich glaube, wir
waren der Ansicht, Sie hätten zuerst noch ein bißchen mehr Zeit draußen nötig.« Was heißen sollte, daß er unreif sei. Zu
spät erinnerte Jerry sich, daß Smiley zu den wortlosen Mitgliedern des
Prüfungsausschusses gehört hatte, von dem er abgelehnt worden war. »Vielleicht,
wenn Sie Ihr Studium abschließen und es auf einem anderen Gebiet zu einigem
Erfolg bringen könnten, würde man es sich anders überlegen. Bleiben Sie in
Verbindung, ja?« «
    Und
seitdem war der alte George auf die eine oder andere Art eigentlich immer
dagewesen. Nie überrascht, nie ungeduldig hatte der alte George Jerrys Leben
gelenkt, bis es dem Circus gehörte. Das väterliche Imperium brach zusammen:
George wartete mit ausgestreckten Händen, um ihn aufzufangen. Seine Ehen scheiterten:
George saß nächtelang bei ihm und hielt ihm den Kopf. »Ich war diesem Amt immer
dankbar, daß es mir Gelegenheit gibt, abzuzahlen«, hatte Smiley gesagt. »Ich
bin überzeugt, daß wir so empfinden sollten. Ich glaube nicht, daß wir uns
davor fürchten sollten, uns . . . aufzuopfern. Ist das altmodisch von mir?«
    »Sie
deuten in die Richtung, und ich zieh los«, hatte Jerry erwidert. »Sie geben mir
die Schläge an, ich führe sie aus.« Noch war es Zeit. Er wußte es. Zug nach
Bangkok, hopp rein in ein Flugzeug und heimfliegen, und das Schlimmste, was ihm
passieren konnte, war, daß sie ihm tüchtig den Kopf waschen würden, weil er für
ein paar Tage ohne Erlaubnis von Bord gegangen war. Heim, dachte er. Bißchen schwierig. Heim in die Toskana
und in die gähnende Leere auf dem Hügel, ohne die Waise? Heim zur alten Pet,
sich wegen der kaputten Tasse entschuldigen? Heim zum lieben alten Stubbsi,
Desk-Jockey spielen mit Zuständigkeit für abgelehnte Manuskripte? Oder heim in
den Circus: »Wir nehmen an, in der Bankabteilung fühlen Sie sich am wohlsten.«
Oder sogar - großartiger Gedanke - heim nach Sarratt, als Ausbilder,

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