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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eine Art Held (Smiley Bd 6)
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Anwesenheit das Spiel doch
bedeutend rauher. Und deshalb spielten seine vagen Vorstellungen von Georges
Menschlichkeit in diesem Fall keine Rolle.
    Außerdem
hing er an Lizzie. Über die Maßen. Hier waren seine Gefühle klar und eindeutig.
Er sehnte sich nach ihr mit allen Fasern. Sie war ein Verlierer, wie fr, und
erliebte sie. Er hatte über alles nachgedacht und den Schlußstrich gezogen, und
war, nach tagelangem Hinundherüberlegen zu diesem genauen, unabänderlichen
Resultat gelangt. Es erschreckte ihn ein wenig, aber es gefiel ihm ungemein.
    Gerald
Westerby, ermahnte er sich. Du warst bei deiner Geburt anwesend. Du warst bei
deinen verschiedenen Eheschließungen anwesend und bei einigen deiner
Scheidungen, und mit Sicherheit wirst du bei deiner Beerdigung anwesend sein.
Höchste Zeit, unserer wohlerwogenen Meinung nach, daß du auch einmal an
gewissen anderen entscheidenden Wendepunkten deiner Lebensgeschichte anwesend
bist.
    Er fuhr
mit einem Bus ein paar Meilen flußaufwärts, ging dann ein Stück zu Fuß, fuhr in
Rikschas, saß in Kneipen, ging mit den Mädchen ins Bett und dachte nur an
Lizzie. Der Gasthof, in dem er logierte, war voller Kinder, und als er eines
Morgens erwachte, saßen zwei von ihnen auf seinem Bett, staunten über die
gewaltig langen Beine des farang und
kicherten darüber, wie seine nackten Füße unten hervorguckten. Vielleicht
bleibe ich einfach hier, dachte er. Aber das meinte er nicht ernst, denn er
wußte, daß er zurück mußte und sie fragen: auch wenn die Antwort nur blauer
Dunst sein würde. Er ließ für die Kinder Papierflugzeuge vom Balkon segeln, und
sie klatschten in die Hände und tanzten und sahen zu, wie die papierenen Vögel
davonschwebten.
    Er fand
einen Schiffer, und als es Abend wurde, ließ er sich nach Vientiane übersetzen
und vermied so die Einreiseformalitäten. Am nächsten Morgen schummelte er sich,
ebenfalls ohne Formalitäten, an Bord einer außerplanmäßigen Royal Air LaoDC 8, und am Nachmittag war er auf dem Flug, einen köstlichen
warmen Whisky in der Hand, und plauderte fröhlich mit ein paar freundlichen
Opiumschmugglern. Als sie landeten, fiel schwarzer Regen, und die Fenster des
Flughafenbusses waren dreckverschmiert. Jerry war das egal. Zum erstenmal in
seinem Leben war die Rückkehr nach Hongkong für ihn, als käme er endlich doch
noch nach Hause.
    Trotzdem
verhielt sich Jerry in der Ankunftshalle äußerst vorsichtig. Nur nicht auffallen,
sagte er sich, nie mehr auffallen. Die wenigen Ruhetage hatten für seine
Geistesgegenwart Wunder getan. Nachdem er sich gründlich umgesehen hatte, begab
er sich in »Herren« anstatt zum Einreiseschalter und blieb dort, bis ein großer
Trupp japanischer Touristen eintraf, dann rannte er zu ihnen hin und fragte, ob
jemand von ihnen Englisch spreche. Er suchte sich vier Leute aus, denen er
seinen Presseausweis aus Hongkong unter die Nase hielt, und während sie
Schlange standen und auf die Paßkontrolle warteten, bestürmte er sie mit Fragen
über den Grund ihres Hierseins und über ihre Pläne, was sie unternehmen wollten
und mit wem, und schrieb wie rasend auf seinen Notizblock, dann wandte er sich
an die nächsten vier und wiederholte das Ganze. Inzwischen wartete er ab, bis
die diensthabenden Polizisten abgelöst wurden. Um vier Uhr war es soweit, und
sofort stürzte er zu einer Tür mit der Aufschrift »Kein Zutritt«, die er
bereits früher ausgemacht hatte. Er ballerte an die Füllung, bis ihm geöffnet
wurde, und machte Miene, hindurchzugehen.
    »Wo zum
Teufel wollen Sie hin?«fragte ein empörter schottischer Polizeiinspektor.
    »Heim zum
Käseblättchen, altes Haus. Muß den Quark über unsere reizenden japanischen
Besucher abliefern.« Er zeigte seinen Presseausweis vor.
    »Gehn Sie
gefälligst durch die verdammte Sperre, wie alle anderen.«
    »Seien Sie
doch nicht stur. Ich hab' meinen Paß nicht bei mir. Deshalb hat mich Ihr
vortrefflicher Kollege vorhin hier durchgelassen.«
    Seine
Größe, sein sicherer Ton, seine eindeutig britische Erscheinung, sein
gewinnendes Lächeln verschafften ihm fünf Minuten später einen Platz im Bus zur
Stadt. Vor seinem Häuserblock trödelte er eine Weile herum, sah jedoch keine
verdächtige Gestalt, aber hier war China, und wer konnte da wissen? Der Lift
leerte sich wie üblich für ihn. Im Hinauffahren summte er Deathwishs einzige
Platte, in der Vorfreude auf ein heißes Bad und frische Kleider. An der
Wohnungstür erlebte er einen gelinden Schrecken, als er die

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