Carre, John le
aufgemalt.
Er schraubte den Schaft ab und fischte aus dem Hohlraum vier Kapseln Mikrofilm,
einen grauen Wattewurm und eine verbeulte Mikrokamera mit Meßkette; sein
konservatives Ich zog dieses Modell den Spitzenprodukten vor, die ihm die
Sarratt-Kanonen hatten aufdrängen wollen. Er legte eine Kassette in die Kamera
ein, regulierte die Laufgeschwindigkeit und machte drei Belichtungsproben vom
Busen der Rothaarigen, ehe er in seinen Sandalen in die Küche schlappte, wo er
sich wie ein Beter vor dem Kühlschrank auf die Knie niederließ und die Free
Foresters' Krawatte lockerte, mit der die Tür festgebunden war. Er fuhr mit dem
rechten Daumennagel an den brüchigen Gummistreifen entlang, was ein scheußlich
reißendes Geräusch verursachte, nahm drei Eier heraus und band die Krawatte
wieder fest. Während er wartete, bis die Eier kochten, lehnte er sich ins
Fenster, stützte die Ellbogen auf und linste wohlgefällig durch das
Schutzgitter auf seine geliebten Hausdächer, die wie Riesenstufen zum Meer
abfielen.
Die
Dachaltane waren eine Zivilisation für sich, ein atemraubendes Schauspiel des
Überlebens vor dem wütenden Anbranden der Stadt. In ihrem Stacheldrahtgehege
wurden unter unmenschlichen Bedingungen Anoraks angefertigt, Gottesdienste
abgehalten, Mahjong gespielt, und Wahrsager verbrannten Räucherkerzen und
konsultierten riesige braune Bücher. Gerade vor ihm lag ein regelrechter
Garten, aus geschmuggelter Erde angelegt. Darunter mästeten drei alte Frauen
Chowchow-Hündchen für den Kochtopf. Es gab Tanzschulen, Leseschulen,
Ballettschulen, Kampf- und Sportschulen, Schulen, in denen Bildung und die
Wunder Maos gelehrt wurden, und an diesem Morgen, während Jerrys Frühstückseier
kochten, beendete ein alter Mann sein Pensum absurder gymnastischer Übungen,
ehe er den winzigen Faltstuhl aufstellte, um sich an die tägliche Lektüre der
Gedanken des Großen Mannes zu machen. Die reicheren Armen bauten sich, wenn sie
kein Dach hatten, schwindelerregende Mastkörbe, zwei zu acht Fuß, auf
selbstgebastelten Stützen, die sie in den Boden ihres Wohnraums rammten.
Deathwish behauptete, es ereigneten sich ständig Selbstmorde. Das lasse ihn an
dieser Gegend nicht los, sagte er. Wenn er nicht gerade vögelte, hing er
zumeist mit seiner Nikon aus dem Fenster, in der Hoffnung, einen Selbstmörder
vor die Linse zu kriegen, was ihm nie gelang. Rechts unten lag der Friedhof,
was Deathwish als unglückbringend bezeichnete und daher ein paar Dollar von der
Miete abgeknapst hatte. Während Jerry aß, klingelte das Telefon aufs neue. »Was
für eine Story?« sagte Luke.
»Wanchai-Huren
haben Big Moo gekidnappt«, sagte Jerry, »nach Stonecutters' Island verschleppt
und verlangen jetzt Lösegeld.« Wenn es nicht Luke war, dann riefen meist
Deathwishs Weiber an, aber sie wollten Jerry nicht als Ersatzmann. Vor der
Dusche war kein Vorhang, so daß Jerry sich wie ein Boxer in die gekachelte Ecke
ducken mußte, um das Badezimmer nicht zu überschwemmen. Er ging zurück ins
Schlafzimmer, zog den Anzug an, packte ein Brotmesser und zählte von der
Zimmerecke an zwölf Holzgevierte ab. Das dreizehnte hob er mit der Messerklinge
heraus. In einem Versteck, das in den teerartigen Unterbelag geschnitten war,
lag ein Plastikbeutel, der eine Rolle amerikanischer Banknoten größeren und
kleineren Nennwerts enthielt; einen Fluchtpaß, Führerschein und Flugnetzkarte
auf den Namen Worrell, Bauunternehmer; und eine Handfeuerwaffe, die Jerry sich
wider die eisernen Regeln des Circus von Deathwish verschafft hatte, der keinen
Wert darauf legte, sie auf Reisen mitzunehmen. Diesem Schatzkästchen entnahm er
fünf Einhundertdollar-Noten, alles andere ließ er unberührt und setzte das
Holzgeviert wieder ein. Er steckte die Kamera und zwei Reservekassetten in die
Taschen und trat pfeifend auf den winzigen Vorplatz hinaus. Seine Wohnungstür
wurde durch ein weißlackiertes Gitter gesichert, das einen gewandten Einbrecher
neunzig Sekunden lang aufgehalten hätte. Jerry hatte das Schloß erbrochen, als
er einmal nichts Besseres zu tun hatte, und genauso lange hatte es gedauert. Er
drückte auf den Liftknopf, und die Kabine kam vollbesetzt mit Chinesen an, die
alle ausstiegen. So ging es jedesmal: Jerry war einfach zu groß für sie, zu
häßlich und zu fremdartig.
Nach
Szenen wie dieser, dachte Jerry mit erzwungener Heiterkeit, als er ins
Pechdunkel des stadteinwärts fahrenden Busses stieg, ziehen Sankt Georgs Kinder
aus, das Empire zu retten.
Weitere Kostenlose Bücher