Carre, John le
die Klimaanlage
auf vollen Touren laufen, spürte aber nichts davon. Er passierte Felder voll
eingetopfter Pflanzen, Seiko-Schilder, dann Karos von Reispflanzungen und
Parzellen mit jungen Pfirsichbäumchen, die für den Neujahrsmarkt herangezogen
wurden. Dann folgte zu seiner Linken ein schmaler Sandweg, er schwenkte scharf
ein und ließ dabei den Rückspiegel nicht aus den Augen, stoppte, blieb eine
Weile stehen und öffnete dann die Heckhaube, als wolle er den Motor abkühlen
lassen. Ein erbsengrüner Mercedes glitt an ihm vorbei, getönte Fenster, ein
Chauffeur, ein Fahrgast auf dem Vordersitz. Er war schon eine ganze Weile
hinter ihm gewesen. Aber er blieb auf der Hauptstraße. Jerry überquerte die
Straße, betrat ein Cafe, ging ans Telefon, wählte eine Nummer, ließ es viermal
klingeln und legte auf. Er wählte die gleiche Nummer nochmals, ließ es sechsmal
klingeln, und als der Hörer abgenommen wurde, legte er wieder auf. Er fuhr
weiter, rumpelte durch die Überreste von Fischerdörfern bis zu einem See, wo das
Schilf sich bis weit ins Wasser vorgearbeitet hatte und durch sein
kerzengerades Spiegelbild verdoppelt wurde. Ochsenfrösche lärmten, und leichte
Vergnügungsjachten tauchten aus dem Hitzedunst und verschwanden wieder. Der
Himmel war totenblaß und senkte sich ins Wasser. Er stieg aus. In diesem
Augenblick hoppelte ein alter Citroen-Lieferwagen daher, an Bord eine
chinesische Familie: Coca-Cola-Hüte, Angelzeug, Kinder; aber zwei Männer, keine
Frauen, und die Männer beachteten ihn nicht. Er hielt auf eine Zeile
Schindelhäuser mit Balkonen zu, sehr verwahrlost und mit durchbrochenen
Betoneinfriedungen davor, wie Häuser an der englischen Küste, nur daß die
Bemalung von der Sonne verblichener war. Die Namen waren auf Stücken von
Schiffsholz in plumpen Lettern eingebrannt: Driftwood, Susy May, Dunromin. Am
Ende des Wegs war eine Bootswerft, aber sie war geschlossen, und die Jachten
ankerten jetzt anderswo. Während er sich den Häusern näherte, blickte Jerry
beiläufig zu den oberen Fenstern auf. Im zweiten von links stand eine
grellbunte Vase voll getrockneter Blumen, deren Stengel in Silberpapier
gewickelt waren. Alles klar, sagte sie. Komm rein. Er stieß das kleine Tor auf
und drückte auf den Klingelknopf. Der Citroen hatte am Seeufer angehalten. Er
hörte die Wagentüren zuschlagen und gleichzeitig die mißhandelte Elektronik aus
der Torsprechanlage.
»Was ist
denn das für ein blöder Hund?« fragte eine rollende Stimme, deren voller
australischer Tonfall durch die Störgeräusche donnerte, aber der Türsummer
wurde bereits betätigt, und als Jerry gegen die Tür drückte, sah er Old Craws
gewaltige Gestalt im Kimono oben an der Treppe aufgepflanzt. Der Alte freute
sich riesig, nannte Jerry »Monsignore« und einen »diebischen Straßenköter« und
lud ihn ein, er möge seinen häßlichen Grafenarsch raufbewegen und sich einen
verdammten Drink unter die Weste jubeln.
Das ganze
Haus stank nach brennendem Räucherwerk. Aus den Schatten einer Tür im
Erdgeschoß grinste ihn eine zahnlose Amah an, das gleiche seltsame kleine
Wesen, das Luke ausgefragt hatte, als Craw in London war. Der Wohnraum befand
sich im ersten Stock. Über die schmierige Täfelung verstreut waren wellige
Fotos von Craws alten Kameraden, Journalisten, mit denen er sich durch fünfzig
Jahre chaotischer orientalischer Geschichte gearbeitet hatte. In der Mitte
stand ein Tisch mit einer altersschwachen Remington, auf der Craw angeblich
jetzt seine Memoiren hackte. Im übrigen war der Raum kaum möbliert. Wie Jerry
hatte Craw Nachkommen und Ehefrauen aus einem halben Dutzend Leben, und nach
Bestreitung des unmittelbar Notwendigen blieb nicht mehr viel Geld für
Ausstattung übrig. Das Badezimmer hatte kein Fenster.
Neben dem
Waschbecken ein Entwicklertank und braune Flaschen mit Fixativ und Entwickler.
Auch eine kleine Leuchtplatte mit Mattglasscheibe zum Prüfen der Negative. Craw
knipste das Licht aus und werkelte zahllose Jahre hindurch in der völligen
Finsternis, grunzte, fluchte und rief den Papst an. Jerry hockte schwitzend
neben ihm und versuchte, die Arbeitsphasen des Alten nach dessen Flüchen zu
ermitteln. Jetzt, riet er, spulte Craw den schmalen Streifen aus der Kassette
um. Jerry stellte sich vor, daß er ihn allzu behutsam hielt, um die
Beschichtung nicht zu beschädigen. Im nächsten Moment wird er überhaupt nicht
mehr wissen, ob er ihn hält oder nicht, dachte Jerry. Er wird seine
Fingerspitzen zwingen
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