Carre, John le -Ein Mord erster Klasse (Smiley Bd 2)
Landstreicher, vielleicht ein Irrer, der sie zu seinem
Vergnügen ermordete, oder wegen ihres Schmucks (der wertlos war), sich auf der
Okeford-Straße davonmachte und die Waffe in einen Graben warf. (Aber warum sie
sechs Kilometer weit tragen, und warum sie nicht in den Kanal auf der anderen
Seite des Grabens werfen? Die Okeford-Straße quert das Oke-Moor, das kreuz und
quer abgedeicht ist, um Überflutungen zu verhindern.) Wenn diese Erklärung
richtig ist, dann schreiben wir Stellas Brief und ihre Unterhaltung mit Cardew
wohl einem Verfolgungswahn zu, oder der Vorahnung des Todes, je nachdem, ob wir
abergläubisch sind oder nicht. Wenn das so ist, dann ist es der tollste Zufall,
von dem ich je gehört habe. Das bringt mich zum letzten Punkt. Ich habe aus
dem, was Rigby nicht gesagt
hat, entnommen, daß sein Vorgesetzter ihn in den Hintern getreten hat und ihn
antreibt, das Land nach Stromern in blutverschmierten blauen Mänteln
abzusuchen. (Du erinnerst dich an den Gürtel.) Rigby hat natürlich keine andere
Wahl, als den Hinweisen zu folgen und das zu tun, was sein Chef erwartet - aber
er ist offensichtlich besorgt über etwas - entweder etwas, das er mir nicht
gesagt hat oder das er nur instinktiv spürt. Ich glaube, er meinte es ernst,
als er mir sagte, ich solle ihm alles erzählen, was ich über die Schul-Seite
herausfände - über die Rodes, die Art, wie sie sich einfügten, und so weiter.
Carnes Klostermauern sind immer noch ziemlich hoch, findet er... Also werde ich
ein bißchen herumschnüffeln, denke ich, und sehen, was vorgeht. Ich rief Fielding
an, als ich von der Polizeistation zurückkam, und er hat mich für heute abend
zum Essen eingeladen. Ich werde wieder schreiben, wenn ich Dir etwas zu
berichten habe.
George
Nachdem er den Umschlag sorgfältig
zugeklebt hatte, indem er die Ecken mit den Daumen herunterpreßte, verschloß
Smiley die Tür und ging die breite Marmorfreitreppe nach unten, vorsichtig auf
die dünne Kokosmatte tretend, die in der Mitte hinunterlief. In der Halle war
ein roter Holzbriefkasten zur Benutzung für Hotelgäste, aber Smiley, ein
vorsichtiger Mann, mied ihn. Er ging zum Briefkasten an der Straßenecke, warf
seinen Brief ein und überlegte, was er wegen eines Mittagessens unternehmen
solle. Es gab natürlich die von Miss Brimley vorbereiteten Brote und den
Kaffee. Widerwillig kehrte er zum Hotel zurück. Es war voll von Journalisten,
und Smiley haßte Journalisten. Außerdem war es kalt, und er haßte Kälte. Und
belegte Brote in einem Hotelzimmer waren etwas sehr Vertrautes.
KATZE UND HUND
Als George
Smiley die Stufen hinaufstieg, die zur Vordertür von Terence Fieldings Haus
führten, war es kurz nach sieben am selben Abend. Er klingelte und wurde von
einer kleinen, plumpen Frau Mitte Fünfzig in die Halle eingelassen. Zu seiner
Rechten brannte ein freundliches Feuer aus Scheiten auf einem Haufen Holzasche,
und über sich gewahrte er undeutlich eine Galerie und eine Mahagonitreppe, die
sich in einer Spirale zum Obergeschoß wand. Das meiste Licht schien vom Feuer
herzurühren, und Smiley konnte sehen, daß an den Wänden ringsum eine große Zahl
von Gemälden verschiedener Perioden und Stile hing und daß das Kaminsims mit
allen möglichen Kunstgegenständen beladen war. Mit einem unfreiwilligen
Schauder bemerkte er, daß weder das Feuer noch die Bilder es ganz
fertigbrachten, den schwachen Geruch der Schule zu bannen - von en gros
gekaufter Politur, Kakao und Gemeinschaftsküche. Korridore führten aus der
Halle, und Smiley stellte fest, daß der untere Teil einer jeden Wand nach der
unbeugsamen Schulregel dunkelbraun oder grün gestrichen war. Aus einem dieser
Korridore tauchte die enorme Gestalt von Mr. Terence Fielding auf.
Er näherte
sich Smiley, massig und jovial; eine schöne Mähne grauen Haars fiel
unordentlich über seine Stirn, und sein Talar blähte sich hinter ihm.
»Smiley?
Ah! Sie haben True kennengelernt, nicht wahr? Miss Truebody, meine
Haushälterin? Wunderbar, dieser Schnee, nicht? Purer Breughel! Haben Sie die
Jungen am Eyot Schlittschuh laufen sehen? Wunderbares Bild! Schwarze Anzüge,
bunte Halstücher, bleiche Sonne; alles da, alles da! Breughel, wie er leibt und
lebt. Wunderbar!« Er nahm Smileys Mantel und warf ihn auf einen wackligen
Kiefernholzstuhl mit Binsensitz, der in der Ecke der Halle stand.
»Dieser
Stuhl gefällt Ihnen - Sie erkennen ihn wieder?«
»Ich
glaube nicht«, erwiderte Smiley in einiger Verwirrung.
»Ah,
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